31 August 2005

ZEITUNG

Wie man tafelt, so lebt man!
(Georgisches Sprichwort)

Zwischen den Trinksprüchen bleibt kaum Zeit für private, informelle Gespräche.
Wer während der Trinksprüche dazwischen redet, wird vom tamada zur Ordnung
gerufen. Einige Gäste nutzen die vorherrschende feierlich-pathetische Stimmung
für Trinksprüche bekenntnishaften Charakters. So bittet eine Mitte 20-jährige
Amerikanerin um das Wort und bringt folgenden Trinkspruch:

„I would like to speak about Georgia, because I’ve noticed as I’ve grown
older in my own country I’ve seen a lot of fakeness. There is a lot fake smiles,
a lot of fake food [Gelächter], a lot of fake … clothes, people are just … plastic.
And I came to Georgia, and the food wasn’t fake, the music wasn’t fake,
and the people weren’t fake, and I felt this real quality to life that I think I’ve
been missing. And I was very relieved to find it here. And I don’t want to go
home, but I know I’ve things to do there. And I know I’ll be back.” [großer
Applaus und zustimmende Rufe]

(aus: „Das Georgische Bankett im Wandel“ von
Florian Mühlfried)

Siehe auch:
DER KAUKASUS:ETHNOLOGISCHE PERSPEKTIVEN


Anstelle eines Vorwortes

Wir halten uns bewusst zurück. Möchten die Künstler, die Gäste erzählen lassen. In jedem Falle die, die sich auskennen. Natürlich waren auch wir in Tbilisi. Haben nach Theater gesucht. Nach Performance und Tanz. Nach Filmen und Musik. Nach Veranstaltungen, die man in Leipzig zeigen kann. Vor allem aber nach Menschen, die etwas vorzustellen, zu berichten haben.
Nicht jeder von denen konnte oder wollte nach Deutschland kommen. Nicht jedes interessante Vorhaben lässt sich einfach so ins Ausland exportieren.
Sie als Publikum, als potentieller Kunde, als MANöVERinteressent haben jetzt die Wahl: In dieser Zeitung herumzulesen - um ausnahmsweise mal nicht zeitgleich googeln zu müssen - oder gar die eine oder andere Veranstaltung zu besuchen. Bitte informieren Sie sich - fragen Sie gegebenenfalls nach - wir freuen uns über Ihr Interesse - aber wir möchten vermeiden, dass Sie sich in die falschen Veranstaltungen verirren. Nicht alles lässt sich in dieser Programmzeitung ausreichend beschreiben, manches ist kaum möglich über knapp 3.000 Kilometer hinweg langfristig zu planen, kurz: nicht alles ließ sich redaktionsschlussgerecht zu Ende entscheiden.

Georgien, die georgische Küche, die georgische Seele - all das bedeutet vor allem Gastfreundschaft. In diesem Sinne freuen wir uns auf die Veranstaltungen, auf unser Publikum, auf unsere georgischen Gäste. Insbesondere freuen wir uns über jeden in Deutschland lebenden oder arbeitenden georgischen Interessenten, der sich - von wie weit her auch immer - als Zuschauer nach Leipzig verirrt.



Über den Wolken ...
Von Ralph Hälbig

Schon der Flug von Deutschland in den Kaukasus war beispiellos. Voller Erwartung und zugleich erschöpft döste ich vor mich hin. Draußen war die Welt zwielichtig. Weder das Schwarze Meer noch die schneebedeckten Hänge des Kaukasus waren zu sehen. Nur der Silberschein des Mondes verschleierte vereinzelte Wolken. Die Triebwerke vibrierten durch den ganzen Rumpf. Plötzlich beanspruchte ein Georgier auf der Höhe der Sitzreihe meine Aufmerksamkeit. Bestimmt und sehr höflich kam er den Gang nach vorn in unseren Bereich und bat die Stewardess um einen Korkenzieher, damit er den feurig roten Kindzmarauli öffnen kann. Die junge Frau spreizte sich etwas: „Sie können hier im Flugzeug nicht ihren eigenen Wein trinken. Sie können welchen kaufen.“, sagte sie. Doch der junge sehr seriöse Mann verstand sie nicht recht. Er meinte, dass dies ein georgischer Wein sei, dass seine Freunde und er nach Georgien fliegen, und dass sie jetzt diesen Wein trinken müssen. Er tippte auf das Etikett und erzählte von Kachetien, er gestikulierte, seine dunklen Augen himmelten sie an. Seine Stimme hatte einen rauen Klang. Andere Männer schlenderten bald nach vorn. Überhaupt bewegten sie sich im Flugzeug, wie in einem Bus, wo man ab und an aufstehen müsse, und sich die Füße vertreten muss. Sie standen, lümmelten oder feuerten ihre Erzählungen an. Sie bezogen andere Passagiere ein. Ihre Gefälligkeit steckte an. Sie freuten sich zutiefst heimzukehren. Es schien, als wären sie ewig nicht zu Hause gewesen. Als sich um die hübsche Stewardess eine Traube bildete, lies sie bald locker und übersah, dass nun ab und an ein Korken pfloppte. Bald stimmten die Männer in einen polyphonen Gesang ein. Hinter mir saß eine junge Georgierin mit ihrem Neugeborenen auf dem Schoß. Von den Männern bekam sie Obst, und dem Kind sang man ein Schlaflied. Feierlich hoch über den Wolken, durchflogen wir diese lebensfeindliche Nacht. Mich beschlich eine Ahnung, was mich wohl erwarten könnte. Auch die Stewardess zog sich zurück und sah vergnügt, dass sie sich um ihre Fluggäste nicht bemühen brauchte. Hier oben war es eine Gemeinschaft, eine Freude und ein Fest. Bald landeten wir auf der Erde -


Gehen und Kommen
Georgien nach Schewardnadse – Hoffnungsvoller Neuanfang oder altes Chaos?
Von Andrea Strunk

"Als das Spiel noch offen war in Tiflis, als Eduard Schewardnadse mit schmalem Mund verkündete, er werde seinen Platz nicht räumen, und die Bewohner des Kaukasus-Landes den Atem anhielten, als die Nächte kurz waren, weil man gemeinsam am Tisch saß - in diesen Stunden, in denen die Angst vor oft erfahrener Gewalt wie Brandgeruch über der Stadt lag -, da schoss ein Fotograf das Bild einer jungen Frau mit einer schwarzen Samtkappe auf dem Haar. In einer verschwimmenden Menge stand sie freundlich lächelnd vor einer Reihe von Polizisten, die ihre Gesichter hinter Schutzschilden verbargen. Und verteilte rote Rosen.
Diese hilflos-rührende Geste, mit der Frauen und Männer in Tiflis Polizeikräfte und Soldaten zu Solidarität mit den Demonstranten bewegen wollten, hat dem georgischen Widerstand seinen Namen gegeben: "Rosen-Revolution". Wie diese Rosen begann der Aufstand mit einer Knospe und wurde innerhalb weniger Tage zu einer üppigen Blüte. Erst standen 2.000 vor dem Parlament, dann 5.000, dann 10.000. Mit Bussen, mit Eselskarren und sogar zu Fuß strömten die Georgier zusammen, bis sie vor dem Parlamentsgebäude und in der Rustaveli-Straße nicht mehr zu zählen waren. Bis der Chor derjenigen, die Schewardnadse aus dem Amt haben wollten, zu einem Ruf anschwoll, der sogar bis in den sonst an kaukasischer Politik wenig interessierten Westen - bis in die Sendestationen von CNN - drang.
Als Schewardnadse endlich verbittert seinen Rücktritt bekannt geben musste, versuchte er sich noch einen letzten Hauch von Glorie zu geben: Er wolle Blutvergießen vermeiden.
Er habe „Ich gehe nach Hause“ gesagt, beschrieben westliche Fernsehstationen seinen Abgesang, die georgischen Zeitungen dagegen schrieben, der Satz lautete: „Ich komme nach Hause.“ Gehen oder Kommen? Durch seinen scheinbar freiwilligen Rücktritt wollte sich Schewardnadse die Dankbarkeit seines Volkes und den gnädigen Blick künftiger Geschichtsschreiber sichern. Ob sein Abgang den massiven Protesten des georgischen Volkes zugeschrieben werden muss oder eher interne Machtkämpfe mit russischen Interessen zu einer wundersamen Symbiose verschmolzen, und die in Regennächten ausharrenden Demonstranten nur delegiert wurden, wissen allein die unmittelbar Beteiligten.
Die letzten Gespräche, die Schewardnadse mit der Opposition und schon in Anwesenheit des russischen Außenministers Igor Ivanow führte, fanden hinter verschlossenen Türen statt. Diese Vorgänge und die Frage, auf welcher rechtlichen Basis Deutschland dem geschassten Präsidenten möglicherweise Asyl in seiner Baden-Badener Nobelvilla gewähren möchte, sind nicht die einzigen Rätsel, die zu lösen sind, nachdem die Siegesparty vorbei ist. Schewardnadse ist Vergangenheit. Viel wichtiger ist, was sich daraus für die Zukunft ergibt: Inwieweit Russland seinen Einfluss in Georgien wieder verstärkt. Und wer der nächste Präsident sein wird. Wie Georgiens wirtschaftliche Probleme gelöst werden - wie der massiven Korruption Einhalt geboten werden soll? Die Nacht vom Sonntag auf Montag verbrachte die Hauptstadt im Rausch. Die Erleichterung darüber, dass diese Revolution im Gegensatz zu anderen, die Georgien seit seiner Unabhängigkeit erlebte, ohne Tote zu Ende ging, war größer als alle Sorgen über die nächsten Tage. Im Taumel dieses Erfolgs, berauscht von dem Gedanken, Freiheit und Solidarität hätten die Oberhand gewonnen, wurden nur wenige Gedanken daran verschwendet, was „danach“ sein wird. "

Der ganze Text: Gehen und Kommen (freitag, November 2004)


Die Freundschaft ist eine Höhle
Von der fragilen Schönheit georgischer Gastfreundschaft
Von Andrea Strunk

"Viktor tanzt. Der Plattenspieler will die Platte nicht spielen, das Radio ist längst kaputt. Nur im Fernsehen gibt es auf einem Kanal Musik, doch diese Musik kommt aus einer Zeit, die nicht mehr Viktors ist. Was soll ein alter Mann wie er in der Gegenwart? Also singt er, singt mit hoher Stimme ein Klagelied vom jungen Mann, der zurückkam in die Heimat und die Liebste dort nicht mehr fand. Verloren hängt sein magerer Körper in der alten Smokingjacke, die Arme schwanken wie brüchige Halme über seinem Kopf. Am Ende dieser Halme hängen Hände, die sind groß wie Schaufeln und so knochig, als habe sich der Tod ihrer schon bemächtigt.
Doch Viktors Hände halten eine Welt. Sie halten das Zimmer mit den faden Möbeln, dem Duft nach altem Mann und gerupfter Seele. Sie halten die zu langen Ärmel des Anzugs. Sie halten Irakli, den Müden, der in besseren Tagen Archäologe am Nationalmuseum war und von den Gräbern der Pharaonen träumt, die er nie gesehen. Jetzt ist er arbeitslos und schleicht nur abends manchmal zurück in sein Museum."

Der ganze Text: Die Freundschaft ist eine Höhle (Eurasisches Magazin, März 2003)


Kaukasus-Newsletter
An die Freunde des Kaukasus, April 2005
von Hans Heiner Buhr, Kaukasus-Reisen

Siehe hier: http://www.kaukasus-reisen.de/newsletter-april2005-2.htm


Literatur

Galaktion Tabidse: Wind, der weht

Wind, der weht, Wind, der weht, Wind, der weht
und das Laub mit sich reißt ohne Ruh,
Baum für Baum biegt – das Heer! – beugt er, fleht:
Wo bist du, wo bist du, wo bist du?
Wie es rinnt, wie es schneit, wie es schneit,
ewiglich such ich dich... allezeit!
Mit mir ist dein Gesicht, wie es war,
überall, Tag und Nacht, immerdar!
Himmelfern wie im Kopf Nebel geht...
Wind, der weht, Wind, der weht, Wind, der weht!
(1924, übertragen von Elke Erb, aus „Galaktion Tabidse – ausgewählt von Kristiane Lichtenfeld“, Unabhängige Verlagsbuchhandlung Ackerstraße, Berlin,1991)


Der „wilde Kaukasus“ aus deutscher Sicht
Von Jörg Kassner

In der Buchlandschaft deutscher Verlage waren Veröffentlichungen über Georgien und die anderen Länder des Kaukasus in den Jahren nach dem Zerfall der Sowjetunion und der neu erlangten Eigenstaatlichkeit Mangelware. Für deutsche Interessenten war es nicht einfach, ein differenziertes Bild über die oft verwirrenden politischen, ethnischen und sozialen Entwicklungen und Konflikte zu gewinnen.Innerhalb weniger Monate wurde diese Lücke geschlossen – es erschienen gleich mehrere Bücher über den Kaukasus im Allgemeinen und über Georgien im Besonderen, von denen im folgenden Beitrag drei vorgestellt werden sollen.
Mit „Wind, der weht - Georgien im Wandel“ legt Fried Nielsen eine hoch interessante Sammlung von schlaglichtartigen Essays über das Land vor, in dem er als stellvertretender deutscher Botschafter mehrere Jahre verbracht hatte. Die einzelnen Beiträge sind eher locker miteinander verbunden, die „Klammer“ zwischen ihnen wird schon im Untertitel des Buches angedeutet - der Autor begleitet mit Sachverstand und großer Anteilnahme einzelne Aspekte des Transformationsprozesses, den die georgische Gesellschaft durchlebte und immer noch durchlebt. Er lässt, bei mancher Kritik im Detail, kaum einen Zweifel daran, dass der „Wind“, der das Land durchweht (ein Vers von Galaktion Tabidse stand hier Pate), das „Schiff Georgien“ seiner Ansicht nach zu neuen, hoffnungsvollen Ufern führen wird.


Der ganze Text: Der „wilde Kaukasus" aus deutscher Sicht (Kaukasische Post)


Weitere Buchtipps:

Fotos
* Institut für Auslandsbeziehungen e.V.:
Utopia - Zum Dokumentarischen in der kaukasischen Fotografie, Katalog zur Ausstellung, Berlin 2005
Die Austellung ist noch bis zum 23. Oktober 2005 in Stuttgart zu sehen.

Literatur
* Donald Rayfield: The Literature of Georgia – A History, Oxford University Press 1994
* Naira Gelaschwili (Hsg.): Georgische Erzählungen des 20. Jahrhunderts, Suhrkamp, Frankfurt a.M., 2000

Geschichte
* Ronald Grigor Suny: The Making of the Georgian Nation, Indiana University Press, Indianapolis 1994

Politik
* Heinrich-Böll-Stiftung: Diaspora, Öl und Rosen – Zur innenpolitischen Entwicklung in Armenien, Aserbaidschan und Georgien, Berlin, 2004

UdSSR
* Ryszard Kapuscinski: IMPERIUM – Sowjetische Streifzüge, Eichborn, Frankfurt a.M., 1993

Sprache
* Lascha Bakradse: Georgisch Wort für Wort, Kauderwelsch Band 87, Reise Know-How Verlag, Bielefeld, 2000


Stalins letzte Hochburg
von Nikolai Topuria, 3. März 2003, für Agence France Presse

Mitten in der georgischen Kleinstadt Gori ragt eine 17 Meter hohe Statue in den Himmel: Das Denkmal des sowjetischen Diktators Josef Stalin. Rund 70 Kilometer westlich der Hauptstadt Tiflis wurde einer der grausamsten Herrscher des 20. Jahrhunderts als Sohn eines Schuhmachers geboren. Zwischen 15 und mehr als 25 Millionen Menschen soll Stalin auf dem Gewissen haben, so die schreckliche Bilanz seiner fast 30-jährigen Herrschaft. Aber während die meisten ehemaligen Sowjetbürger versuchen, Distanz zur Ära Stalin zu gewinnen, sind die meisten Menschen in Gori stolz auf den berühmtesten Sohn ihrer Stadt.
Mizho war gut 20 Jahre alt, als er am 5. März 1953 von Stalins Tod erfuhr. Er erinnert sich noch gut an die Herrschaftszeit des Diktators und ist überzeugt, dass dieser den Übergang Georgiens zu einem unabhängigen Staat bravourös gemeistert hätte. Ein Chaos wie 1991 mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion hätte es laut Mizho unter Stalin nicht gegeben, denn „er kümmerte sich nicht nur um Georgier und Russen, sondern um alle kleinen Leute der Welt“, sagt er.
Für den 72-jährigen ist Stalin Kult. Seit Jahren hegt und pflegt er in seinem Garten eine Büste des Politikers, die er im Zuge der „Entstalinisierung“ nach 1953 im Nachbarort aufgetrieben hat. Anfangs habe er sie unter trocknendem Getreide aufbewahren müssen weil seine Frau dagegen war, sie offen aufzustellen, sagt Mizho. Aber inzwischen darf sie jedem Besucher ins Auge fallen.
Die Rentnerin Jewgenija sehnt sich nach Stalins Zeiten zurück, als die Preise sanken statt stiegen, wie sie beim Einkaufen auf dem Markt von Gori erzählt. Und die 83-jährige Dato Chubulaschvili lehrte ihren Kindern, Stalin zu respektieren, wie sie berichtet. Manana, 40 Jahre alt, erinnert sich, was ihre Großmutter ihr mit auf den Weg gab: „Stalin war gleichzeitig ein Dichter, ein Politiker, ein Soldat und ein großer Führer.“
Der Rummel um ihren Großvater ist Stalins Verwandten nicht immer angenehm. Um nicht ständig mit dem Sowjetführer in Verbindung gebracht zu werden, nahm Alexander Burdonski den Namen seiner Mutter an, die Stalins Sohn Wasili geheiratet hatte. So konnte der 61-jährige Burdonski unbehelligt Karriere als Produzent am Moskauer Rote-Armee-Theater machen. Seine Schwester Tatjana behielt dagegen Stalins Geburtsnamen Dschugaschwili. Auch Jewgeni, ein Enkel aus Stalins erster Ehe, und seine Schwester Galina behielten den Namen; Jewgeni nannte sogar einen seiner Söhne Josef. Aber sein Leben habe der berühmte Verwandte nicht geprägt, sagt der 67-jährige. Nur zu Stalins Geburts- oder Todestag müsse er Interviews geben.
Das kleine Backsteinhaus, in dem Stalin 1879 als Josef Dschugaschwili, genannt Wissarionowitsch, das Licht der Welt erblickte, wurde zum Museum umfunktioniert. Neben Fotos, Schulzeugnissen und anderen Erinnerungsstücken wird in dem gepflegten Gebäude sogar die Totenmaske des Sowjetführers ausgestellt. Kritisch setzt sich die Stadt Gori nicht mit der Geschichte ihres berühmten Sohnes auseinander. „Wir sind einfache Menschen“, sagt Akaki Ledschawa. „Mit Politik hatten wir nichts zu tun, wir haben auch keine schlauen Bücher gelesen. Wir haben nur Äpfel und Pfirsiche angebaut.“ Geschossen habe Stalin auf „die anderen“.
Dass Stalin aber auch seine Heimatstadt nicht von seinen Gräueltaten verschonte, berichtet Etera. Eine 22-jährige Frau aus Gori sei damals spurlos verschwunden, nachdem sie Schülern Gedichte des denunzierten georgischen Dichters Titsian Tabidse vorgelesen habe.
Die jungen Einwohner der Stadt begegnen den Geschichten über Stalin zunehmend mit Skepsis. Zwar lauschen sie gerne den Erzählungen ihrer Großeltern. Aber viele wollen die Geschichten „nicht länger glauben“ und sorgen sich eher um die Zukunft als um die Vergangenheit. „Es bedeutet mir nicht viel, dass Stalin wie ich in Gori geboren wurde“, sagt der Lebensmittelhändler Givi Abesadse. „Was ich will, ist Stabilität und Ordnung“. Wer dies bringen könnte, wäre „ein wahrer Held“.

Georgiens ungelöste Konflikte: kein Ende in Sicht

Von Marina Rennau

"or einem Jahr versprach der frisch gewählte georgische Präsident Saakashvili die Befriedung der Region im Kaukasus. Doch gerade in den abtrünnigen Regionen Ossetien und Abchasien ist die Perspektive weiter unklar. Mit dem potentiellen Krisenherd befasste sich diese Woche die Parlamentarische Versammlung des Europarates in Straßburg.

Tiflis (n-ost). Wieder einmal ist Georgiens abtrünnige Region Südossetien der Schauplatz erneuter Spannungen. Und auch in Abchasien, seit einem Bürgerkrieg von 1992 de facto unabhängig von Georgien, blieben alle Annäherungsversuche der Georgischen Regierung bisher ohne Erfolg. Am 26. Januar versuchte Georgiens Präsident Saakaschwili nun, die internationale Gemeinschaft für einen erneuten Lösungsversuch der beiden Konflikte zu gewinnen. Der am Mittwoch bei der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE) in Straßburg präsentierte Friedensvorschlag sieht als die Lösung einen föderalistischen Staat vor. Doch die ersten Signale aus der Krisenregionen zeigen, dass es dahin noch einen weiten Weg zu beschreiten gilt. Am Freitag vergangener Woche blockierten hunderte ethnische Georgier alle nach Südossetien führenden Hauptstrassen. Sie verlangten die Freilassung eines georgischen Polizisten, der tags zuvor von Südossetischen Kräften entführt worden war. Im Gegenzug, wurden 12 Ossetier Opfer einer weiteren Entführung durch eine bisher nicht identifizierte bewaffnete Gruppe. Trotz der Freilassung der Geiseln drei Tage später bleibt die Situation gespannt. "

Der ganze Text: Georgiens ungelöste Konflikte: kein Ende in Sicht (www.n-ost.de)

Politischer Murks

von Andrea Strunk im Dezember 2004 für www.eurasischesmagazin.de

"Suchumi. Wenn der georgische Maler Murtaz Schwelidse hört, jemand fahre demnächst nach Abchasien, geht stets ein Seufzen über seine Lippen. „Abchasia“, sagt er, und dehnt die As, als wolle er ein Lied anstimmen. Und dann - wehmütig: „Grüß mir Suchumi.“
Suchumi ist die Hauptstadt Abchasiens. In Sowjetzeiten war „die weiße Stadt“ für ihre Schönheit berühmt, Urlaubsziel betuchter Kaukasier, Russen und Ostdeutscher. Auch Murtaz Schwelidse hat seine Kindheitssommer in der damals zu Georgien gehörenden Sowjetrepublik verbracht, bis der georgisch-abchasische Krieg von 1992 das Land zerstörte und Georgier und Abchasen Feinde wurden. „Plötzlich“, sagen die Georgier. „Es schwelte lange“, sagen die Abchasen. "

Weitere texte der Autorin: Andrea Strunk >>>

Georgischer Premierminister tot

Von Marina Rennau

"Mit dem Tod von Premierminister Zurab Schwania verliert Georgien nicht nur einen seiner wenigen gemäßigten Politiker, sondern auch eine Schlüsselperson im Friedensprozess in Georgiens Konfliktzonen. In den nächsten Tagen müssen ein neuer Premierminister ernannt und eine neue Regierung gebildet werden.
Schwania wurde heute Morgen tot in der Wohnung eines Freundes aufgefunden. Laut vorläufigem offiziellem Befund starben beide an einer Gasvergiftung, verursacht durch schlechte Entlüftung einer Gasheizung.
Die ersten Reaktionen sind einstimmig. „Schwanias Tod ist ein schwerer und kaum ersetzbarer Verlust für das Land“, sagte der ehemalige georgische Präsident Schewardnadze schon wenige Stunden nach Bekanntwerden der Tragödie. „Damit habe ich meinen klügsten Lehrling verloren.“
„Ich verliere den engsten Freund, den verlässlichsten Berater und den größten Verbündeten den ich je hatte“, sagte Präsident Saakaschwili am Morgen. "

Der ganze Text: Georgischer Premierminister tot (www.n-ost.de)

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