02 September 2005

PROGRAMM: TBILISI LOUNGE - TOUR DE GEORGIA

U. a. mit Sergi Gvarjaladze (Foto) über Musik, TV und Alltag in Georgien und mit anderen wechselnden Gastgebern und Gästen zu wechselnden Themen, mit Gesprächen und Vorträgen, mit Filmen und Videos, mit Musik und Getränken

Marika Lapauri-Burk und Ruth Ol’Shan über Menschen und Landschaften
Montag, den 10. Oktober
UT Connewitz, Keller, 22 Uhr
„Verschiedene Menschen aus aller Herren Länder gehen in einer deutschen Großstadt ihrer Arbeit nach. Am Montagabend treffen sie sich alle an einem Ort - und singen zusammen.“ So etwas könnte vielleicht auch am Montag der ersten Lounge von „Kartuli Suli“ im Keller des UT passieren. Es lässt sich aber sicher nicht planen. Also stellt zunächst die georgische Musikerin Marika Lapauri-Burk, die in Hamburg für die Deutsch-Georgische Freundschaftsgesellschaft LILE e.V. arbeitet, den von ihr im Jahr 2004 produzierten Film „Montag Abend“ vor. Eine womöglich zweite Gastgeberin, Ruth Ol’Shan, hat für arte einen Film gedreht über Musik und Musiker in georgischen Dörfern. Wenn sie nicht, was leider zu befürchten ist, gerade in Georgien zur Premiere eben jenes Filmes weilt, wird sie in der Lounge Ausschnitte kommentieren und von ihrer mehrmonatigen Recherche erzählen.


Wind, der weht - Georgien im Wandel, Lesung und Gespräch mit Fried Nielsen
Dienstag, den 11. Oktober
UT Connewitz, Saal, 22 Uhr
Fried Nielsen, Jahrgang 1961, studierter Rechtswissenschenschaftler, seit 1988 tätig im Auswärtigen Amt. In Georgien arbeitete er als stellvertetender Botschafter. Fried Nielsen gründete in Tbilisi mit Udo Hirsch (CUNA Georgica) und Helmut Glück (Universität Bamberg) eine deutsche Buchhandlung.

Einfach unwiderstehlich sind Land und Leute, die Fried Nielsen liebt und über die er ein bezauberndes Buch geschrieben hat. Ein Buch, das schwer einzuordnen ist: Es ist Reiseliteratur, die keineswegs langweilig und trocken, sondern spannend und erheiternd sein kann. Es enthält aber auch einen nützlichen Geschichtsteil, der dem Leser ermöglicht, Georgiens geschichtliche, sprachliche, kulturelle und politische Vergangenheit und Gegenwart kennenzulernen. Die genaue Faltkarte ist für den - wenn auch nur in Gedanken - durch Georgien Reisenden bestimmt sehr hilfreich. Man kann sowohl die Ausflüge des Autors verfolgen, als auch - warum nicht? - eigene Reisen durch Georgien planen. Die hervorragenden Fotos runden die Reiseberichte auf bildliche Art ab.
Einerseits erzählt der Autor von wunderbaren Landschaften, von interessanten Begegnungen mit gastfreundlichen Menschen, von gutem georgischem Essen. All dies macht - das für viele unbekannte - Georgien zu einem attraktiven Reiseziel. Andererseits wird in diesem Buch realitätsnah die schwierige Lage eines Landes in der Übergangsphase dargelegt.
Fried Nielsen offenbart seine Beobachtungen, die er als Mensch und Diplomat in verschiedensten Lebenssituationen in Georgien gesammelt hat. Er übermittelt seine Erfahrungen auf witzige, ironische, aber auch gefühlsbetonte Art.
(Andreea Hagiu, aus Bukarest, Rumänien)


"Marina Gegechori über Theater und Tanz in Georgien"
Mittwoch, den 12. Oktober
UT Connewitz, Keller, 22 Uhr
Die Theaterkritikerin Manana Gegetchori zeigt ausgewählte Videos über Theater und Tanz.
Außerdem ist der Künstler Wato Tsereteli angefragt, die Arbeit von maf (Media Art Farm) und ihrer Präsentationsplattform „Appendix“ zu beschreiben.


Sergi Gvarjaladze über Musik, TV und Alltag in Georgien
Donnerstag, den 13. Oktober
UT Connewitz, Keller, 22 Uhr
Er ist knapp 37, spricht fließend deutsch und englisch, sang und spielte in einigen Bands, ist mittlerweile fast ein „Veteran“ des „neuen georgischen Radios“ und hat nach „Komunikatori“ jetzt mit „Vakansia“ eine zweite Sendung im ersten georgischen Fernsehen.
Berühmt über Georgien hinaus wurde er als Veranstalter der „Adjara Dance Hall“ in einem ehemaligen Intourist-Hotel.

Wie waren Sie an der Schule?
Sehr ruhig, nichts besonderes...
Was war das erste Konzert, auf das Sie gingen?
Ich erinnere mich nicht an den Namen der Band, aber es waren Jugoslawen mit elektrischen Gitarren. Vielleicht 1976. Ich war entsetzt von ihren langen Haaren und den Dias im Hintergrund.
Was ist Ihr größter materieller Besitz?
Ich würde mich nur ärgern, wenn jemand meine CDs und Schallplatten stiehlt.
Wie denken Sie über Bob Dylan?
Ich muss zugeben, dass ich ihn nicht ihn wirklich gut kenne. Mein Bob Dylan ist der georgische Sänger Kisho. Ich erzähle Ihnen eine Geschichte: Dylan kam in den 80ern nach Tbilisi und wurde in einem Restaurant „bespaßt“. Ein paar georgische Knallchargen spielten für ihn. Kisho wartete draußen vor der Gaststätte. Sie ließen ihn nicht hinein. So dass sich Dylan und Kisho nie trafen...
Wie sind Sie, wenn Sie betrunken sind?
Ich trinke nicht. Nicht wirklich. Fragen Sie besser nach Drogen. (Er lacht.)
Wie denken Sie über Legalisierung?
Es gibt es sehr viele Alkoholiker hier. Darüber redet niemand...
Beschreiben Sie sich mit 5 Wörtern.
Chaotisch, total chaotisch, naiv, pragmatisch, vorsichtig.
Was ist in Ihren Taschen im Augenblick?
Ein (elektronisches) Notizbuch, mein Personalausweis, Kaugummi, Schlüssel, Geld... ungefähr 10 Lari (etwa 4 Euro). Und etwas, das ich schon lange Zeit trage - Sie fragten nach materiellem Besitz - ein Freundschaftsband von der Tochter eines Freundes.
Gibt es Kritik, die in Ihrem Verstand haften bleibt?
Wenn unsere Themen nicht interessant sind. Die schlechteste Sache ist, wenn wir den Kontakt zum Publikum verlieren. Wir könnten kritischer sein. Wir sind nicht sehr konstruktiv, hier in Georgien. Es gibt keine Analyse warum Sachen geschehen. Etwas geschieht... und das ist es. Wir haben die neueste Technik, aber wir sind noch sehr „sowjetisch“. Es sieht so aus, als ob wir irgendwie zurück in Richtung UdSSR gehen.
Glauben Sie an Gott?
Sicher, aber nicht in der Weise, dass ich in die Kirche gehe. Ich weiß definitiv, dass es höhere Energie gibt. Ich glaube nicht an ein „Halteseil“ mit einem Bart. (...) Die Kirche tut nicht genug - sie müsste junge Leute an sich binden. Einige Repräsentanten der georgischen orthodoxen Kirche sind professionelle Leute, aber die Kirche ist eine sehr hierarchische Anstalt... ein Mönch allein kann nichts entscheiden. (...) Wir Georgier denken, dass wir fromm sind, aber wie viele von uns lesen die Bibel? Wir wissen, dass unser Nachbar ein Jude ist, aber wir sollten auch die Grundlagen seiner Religion kennen. Oft würden wir entdecken, dass die Grundlagen die gleichen sind. Es sollte ein 11. Gebot geben: Du sollst nicht dumm sein!Was ist Ihre unangenehmste Eigenschaft?Irgendwie Misstrauen. Das ist der Einfluss dieses Landes, wir mißtrauen jedem, wir denken immer es gibt einen Trick... Mißtrauen tötet alles. Man wird paranoid.
Was ist Ihr Ehrgeiz?
Ich möchte meine eigene Nische haben... und nicht nur in diesem Land. Ich habe großen Ehrgeiz andere kaukasische Märkte zu erschließen. Zum Beispiel Tschetschenien.
Was ist Ihre kulinarische Spezialität?
Ich liebe alles, was von meiner Mutter gekocht wird.
Wen möchten Sie gern treffen?
Den Dalai Lama. Und Iggy Pop. Und ich würde mich gern 2 oder 3 Stunden allein mit Schewardnadze unterhalten. Aber ich denke nicht, dass er 3 Stunden finden würde.
(Ist mittlerweile geschehen. War lt. Sergi eher langweilig.)
Was ist Glück?
Meine Frau zu haben. Wenn man zu Hause ist - und mal nicht sprechen muss... weil alles wunderbar klar ist. Einen Job haben, den man gern hat. Jeden Tag danke ich Gott, dass ich eine Arbeit habe, die ich mag, die ich erledigen kann, und dass ich nicht im Park fegen muss oder in einer Fabrik arbeiten.
(Sergi Gvarjaladze im Jahr 2001 auf Fragen der englischen Journalistin Amy Spurling)

In der Tbilisi-Lounge präsentiert Sergi Gvarjaladze seinen neuen Film „Elektronavtebi - Elektronauten“ über georgische Musiker, die im Ausland leben:
„Was macht ein georgischer Musiker, der sich mit elektronischer Musik beschäftigt, wenn es in seiner Heimatstadt keinen Strom gibt? Er nimmt sein Fahrrad, fährt zur „Vulkanisazia“ (Autowerkstatt) und lässt dort die Akkus für seine Anlage neu aufladen. Das ist georgische elektronische Musik. Das ist die Realität hier.“ Sagt Baju, einer der Protagonisten der Dokumentation.
So wie damals die Argonauten aus dem antiken Griechenland als Entdecker nach Georgien kamen, versuchen die „Elektronauten“ aus Georgien heute die unendlichen Weiten der Elektronikszene zu erforschen - und zu erfrischen.
Der Film gibt nicht nur Einblick in die Werke der mittlerweile in ganz Europa verstreuten Musiker, sondern auch in ihre Einstellung in Sachen wie Folklore, Popkultur vs Subkultur und Politik.
„Es gibt so etwas wie „Neue Georgische Welle“ nicht“, erklärt Nikakoi (aka Nika Machaidze), „unsere Musik ist sehr unterschiedlich, aber was uns verbindet, ist die Zeit, der Ort, wo wir geboren wurden, und die Melodien, die wir in unser Kindheit gehört haben“.

Zwei Tage nach dieser Lounge, am Samstag, den 15. Oktober, kann man zwei herausragende Vertreter einer „Neuen Georgischen Ästhetik“ oder „intelligent electronic music“ im UT Connewitz live erleben: Gogi Ge.Org und den eben zitierten Nikakoi/Erast.
Spätestens am Sonntag wird dieses Duo zum Trio wenn die goslab – Aktivistin Tusja Beridze/TBA in der naTo auftaucht.


Lounge
Montag, den 10., Dienstag, den 11., Mittwoch, den 12., Donnerstag, den 13. Oktober
UT Connewitz, Keller
jeweils ab 22 Uhr
Eintritt frei

Am Freitag, den 14. und Samstag, den 15. Oktober ist der Keller als Lounge im Zusammenhang mit den Veranstaltungen, die im Saal des UT stattfinden ebenfalls geöffnet.

Am Freitag ab 22 Uhr zu „Fuck the man who started first - Georgische Kurzfilmnacht“, am Samstag ab 20 Uhr bei „Georgische Küche + intelligent electronic music“.

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