07 Oktober 2005

"Vedreba"/"Das Gebet", UdSSR/Georgien 1968

23 September 2005

BfOT (Büro für Off-Theater) präsentiert KARTULI SULI
Georgisches Festival in Leipzig vom 9. bis 16. Oktober 2005

Programm-Zeitung: S.1 bis 13 >>> / S.14 bis 24 >>> (PDF-Dateien)

Kartenvorbestellung: info@bfot.de

02 September 2005

ÜBERBLICK ZU ALLEN VERANSTALTUNGEN

MANöVER 2005 in Leipzig

Vom 09. bis 16. Oktober 2005 findet in Leipzig das 14. Festival MANöVER statt. Diesmal mit dem Schwerpunkt Georgien. Nachfolgend das vorläufige Programm unter dem Motto: Kartuli Suli (Georgische Seele)

Organisiert von Knut Geißler (Büro für Off-Theater Leipzig), Grit Friedrich, Megi Goncharova, Ralph Hälbig und von all jenen, denen wir zu Dank verpflichtet sind ...


Sonntag, den 9. Oktober


UT Connewitz, Saal, 20 Uhr
Aberwitz: Kobakhidze’s Musikosebi / Musiker (UdSSR/Georgien 1969) und andere legendäre Kurzfilme
Georgien, die kleine Nation am Rande des Kaukasus, ist ein großes Filmland mit eigenständiger Tradition. Die Filme zeichnen sich durch einen subversiven Humor aus. Regisseure wie Tengis Abuladze und Otar Iosseliani (siehe auch 1 2 3 4 5 6 7) entwickelten ihre eigene Filmsprache, um Wahrheiten an der Zensur vorbei zu formulieren. Sie fanden dabei einen universellen Ton, so dass ihre Filme auch außerhalb Georgiens große Resonanz fanden. Eine besondere Stellung nahmen Kurzfilme ein, lassen sich hier doch Situationen und Aussagen besonders gut zuspitzen.

Die Filmtitel sind schlicht. Sie heißen „Junge Liebe“ und „Karussell“, „Der Krug“ oder „Die Gäste“, und ihr Inhalt ist hintersinnig, humorvoll oder poetisch-surreal. Von der Zensur bedrängt, entstanden in Georgien Leinwand-Parabeln, Filme von magischem Realismus, doppelbödigen Bildern, Filme an der Grenze zur Malerei, zum absurden Theater, Hommagen an den Stummfilm und den chaplinesken Humor.
Wir zeigen auch Kobakhidzes letzten Kurzfilm „Musikosebi“ aus dem Jahr 1969.
Informationen zu den weiteren Filmen werden am Tag der Aufführung bekannt gegeben.

Montag, den 10. Oktober

UT Connewitz, Saal, 20 Uhr
Freiheitskampf: Eliso / Elisso (UdSSR/Georgien 1928)
Der Film basiert auf Motiven einer gleichnamigen Novelle von Aleksander Kazbegi, hat aber in Bildgestaltung und Story starke quasi-dokumentarische Züge. Schengelajas bekannteste Arbeit beschäftigt sich mit einer wahren Begebenheit aus den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts, als das Volk der Tschetschenen aus dem zaristischen Rußland in die Türkei zwangsumgesiedelt werden sollte. In Werdi, einem friedlichen tschetschenischen Dorf, gelingt es russsischen Kosaken, die das Dorf für sich übernehmen wollen, die Einwohner durch Vorspiegelung falscher Tatsachen zum Weggehen zu bewegen ...
Text dazu: Tendenzen des georgischen Stummfilms

UT Connewitz, Keller, 22 Uhr
Tbilisi Lounge: Montag Abend (BRD/Georgien 2004), dazu Marika Lapauri-Burk und Ruth Ol’Shan über Menschen und Landschaften
„Verschiedene Menschen aus aller Herren Länder gehen in einer deutschen Großstadt ihrer Arbeit nach. Am Montagabend treffen sie sich alle an einem Ort - und singen zusammen.“ So etwas könnte vielleicht auch am Montag der ersten Lounge von „Kartuli Suli“ im Keller des UT passieren. Es lässt sich aber sicher nicht planen. Also stellt zunächst die georgische Musikerin Marika Lapauri-Burk, die in Hamburg für die Deutsch-Georgische Freundschaftsgesellschaft LILE e.V. arbeitet, den von ihr im Jahr 2004 produzierten Film Montag Abend vor. Eine womöglich zweite Gastgeberin, Ruth Ol’Shan, hat für arte einen Film gedreht über Musik und Musiker in georgischen Dörfern. Wenn sie nicht, was leider zu befürchten ist, gerade in Georgien zur Premiere eben jenes Filmes weilt, wird sie in der Lounge Ausschnitte kommentieren und von ihrer mehrmonatigen Recherche erzählen.

Dienstag, den 11. Oktober

UT Connewitz, Saal, 20 Uhr
Berge + Live Musik: Jim Shvante / Das Salz Swanetiens (UdSSR/Georgien 1930) + DJ Juggler
Der hervorragende ethnographische Film über die vergessene, im Bergmassiv des Kaukasus isolierte Region Swanetien ist das Debüt des Kameramannes und Kuleschov-Schülers Kalatosov als Regisseur. Sein schönes, herbes, sogar grausames Werk steht auf einer Stufe mit Bunuels "Las Hurdes". In einigen Effekten erkennt man schon den späteren Autor von "Wenn die Kraniche ziehen".
Im Rahmen von MANöVER 2005 - Kartuli Suli nimmt sich DJ Juggler dem Film an und erfindet live neue Soundkonstellationen.

UT Connewitz, Saal, 22 Uhr
Lounge, Lesung: Fried Nielsen: Wind, der weht - Georgien im Wandel

Einfach unwiderstehlich sind Land und Leute, die Fried Nielsen liebt und über die er ein bezauberndes Buch geschrieben hat. Ein Buch, das schwer einzuordnen ist: Es ist Reiseliteratur, die keineswegs langweilig und trocken, sondern spannend und erheiternd sein kann. Es enthält aber auch einen nützlichen Geschichtsteil, der dem Leser ermöglicht, Georgiens geschichtliche, sprachliche, kulturelle und politische Vergangenheit und Gegenwart kennenzulernen. Die genaue Faltkarte ist für den - wenn auch nur in Gedanken - durch Georgien Reisenden bestimmt sehr hilfreich. Man kann sowohl die Ausflüge des Autors verfolgen, als auch - warum nicht? - eigene Reisen durch Georgien planen.

Telegraph, 24 Uhr
Eröffnung: Mitternachts-Supra - Die Georgische Tafel
Die Supra zur Eröffnung ist im Wesentlichen unseren Gästen vorbehalten. Vergessen Sie den folgenden Termin also sofort wieder. Am Tag danach allerdings wartet die fast einmalige Chance, mitten in Deutschland, mitten in Leipzig an einer georgischen Tafel zu sitzen, einem Tamada auf das Glas zu blicken, also Georgien zu erleben, Georgien zu fühlen - und zu schmecken. Und wenn Sie zögern, dann lesen sie unter noch einmal in unserem Programm weiter >>>


Mittwoch, den 12. Oktober

UT Connewitz, Saal, 20 Uhr
Menschen + Glaube: Vedreba / Das Gebet (UdSSR/Georgien 1967)

„Vedreba / Das Gebet“ beschreibt in majestätisch strengen, monolithisch stillen Schwarz-Weiß-Bildern den tödlichen Mechanismus von Hass und Rachsucht. Ein Christ tötet einen Moslem und wird, weil er ihn nicht nach altem Brauch verstümmelt, ausgestoßen und schließlich von anderen Moslems bestraft.
Von der Filmkritik werden „Das Gebet“, „Der Baum der Wünsche“ und „Die Reue“ oft als eine Art „Trilogie des Vaterlandes“ bezeichnet.

UT Connewitz, Keller, 22 Uhr
Tbilisi Lounge: "Marina Gegechori über Theater und Tanz in Georgien"
... mit wechselnden Gastgebern und Gästen zu wechselnden Themen, mit Gesprächen und Vorträgen, mit Filmen und Videos, mit Musik und Getränken: Die Theaterkritikerin Manana Gegetchori zeigt ausgewählte Videos über Theater und Tanz.
Außerdem ist der Künstler Wato Tsereteli angefragt, die Arbeit von maf (Media Art Farm) und ihrer Präsentationsplattform „Appendix“ zu beschreiben.

Telegraph, 22 Uhr
Georgische Küche: Kartuli Supra - Die Tafel/Das Bankett

Eine Supra birgt immer ein Geheimnis. Unerwartetes kann daraus hervorgehen. Georgien gilt als ein Land der Romanzen und Legenden. Zur Supra eilt man mit einer feierlichen Einstellung. Das Aufregende dabei ist, dass jedem dabei ein enormer Respekt entgegengebracht wird. An der Supra ist nie ein Platz reserviert, außer am Kopf der Tafel, der ist dem Zeremonienmeister vorbehalten. Wenn die Tafel „gesegnet“ ist, dann werden die Gerichte zugewiesen, wird sich unterhalten, werden Anekdoten erzählt, unnachahmliche Witze gerissen, die Köche gelobt.
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Donnerstag, den 13. Oktober

UT Connewitz, Saal, 20 Uhr
Schwarzer Humor: Tsisperi mtebi anu daudjerebeli / Tienschan oder Blaue Berge oder Das Blaue vom Himmel (UdSSR/Georgien 1984)
Als wäre es die normalste Sache der Welt trägt der Nachwuchsliterat Sosso sein erstes Roman-Manuskript zur Begutachtung in einen Verlag. Er kennt die Kollegen, alle sind sehr aufgeschlossen als er an die wichtigsten Mitarbeiter jeweils eine Kopie verteilt. Jeder versichert ihm, den Text so bald als möglich zu lesen.
Grandiose, bitterböse Satire auf Schlamperei und Bürokratie – nicht nur im realen Sozialismus, dessen Ende hier visionär vorhergesehen wurde. Ein echter Klassiker der Lakonie und des (georgischen) schwarzen Humors.

LOFFT, 20 Uhr
Tödlicher Stolz: Gocha Kapanadze + Ensemble: Medea
Expressiv: Marina Kakhiani als Medea, Tochter des Königs von Kolchis

Der Regisseur Gocha Kapanadze arbeitet in Tiflis bewusst nicht an einem Stadttheater, er will es anders versuchen, mit einem freien, einem wechselnden Ensemble. Wo ist der Unterschied? Auch bei „Medea“ sind - wie fast immer und überall in Georgien - sehr viele Darsteller auf der Bühne, auch bei „Medea“ wird viel gesprochen, aber es wird auch geschwiegen und geschrien und getanzt, es gibt etwas wildere Musik, etwas weniger „Theaterdonner“ und etwas weniger buntes Licht als an den großen Bühnen. An einer älteren Arbeit Kapanadzes im abchasischen Suchumi lassen sich wichtigere Motive festmachen: In „Makhaz“ wird eine geschlossene, weltabgewandte Gesellschaft thematisiert, in der Männerbünde und Traditionen dominieren und jedes Aufbegehren gefährlich sein kann. So etwas lässt sich nicht überall mit öffentlichem Geld auf eine Theaterbühne bringen.

UT Connewitz, Keller, 22 Uhr
Tbilisi Lounge: Elektronavtebi (Georgien 2005), dazu Sergi Gvarjaladze über Musik, TV, Alltag
... mit wechselnden Gastgebern und Gästen zu wechselnden Themen, mit Gesprächen und Vorträgen, mit Filmen und Videos, mit Musik und Getränken: Sergi Gvarjaladze ist knapp 37, spricht fließend deutsch und englisch, sang und spielte in einigen Bands, ist mittlerweile fast ein „Veteran“ des „neuen georgischen Radios“ und hat nach „Komunikatori“ jetzt mit „Vakansia“ eine zweite Sendung im ersten georgischen Fernsehen.
Berühmt über Georgien hinaus wurde er als Veranstalter der „Adjara Dance Hall“ in einem ehemaligen Intourist-Hotel.

Freitag, den 14. Oktober

UT Connewitz, Saal, 20 Uhr
Schuld + Sühne:
By Spiral Staircase / Auf der
Wendeltreppe (Georgien 2002)

Der Film lebt von seinen genauen und sehr präsenten Darstellern ebenso wie von vielen messerscharf fotografierten Bildern. Man merkt, dass sowohl Regisseur als auch Darsteller überdurchschnittlich gute Theaterhandwerker sind. Die Texte des Filmes sind verdichtet, viele kammerspielartige Szenen sind eingebettet in karge, beklemmende Szenenbilder, andere Einstellungen spielen mit der Schönheit des Landes und den Gesichtern seiner Menschen. „Auf der Wendeltreppe“ wurde bisher nur auf Festivals gezeigt und erhielt in der Ukraine zwei Preise für Hauptdarsteller und Regie.

LOFFT, 20 Uhr
Kraft + Eleganz: Khridoli - Georgisches Kampf Kunst Theater + Konzert Stumari
Stumari wurde im Jahr 2000 gegründet. Die Musiker vertonen alte Texte, die sie in Bibliotheken und Archiven finden. Ihre Musik wirkt zeitlos, basiert aber auf alten georgischen Traditionen. In Georgien gelten sie als eine Band, die gleichermaßen bewahrt und erneuert. Stumari wird nicht nur zu Folk- sondern ebenso oft zu Fusions-Musik-Festivals eingeladen. In diesem Jahr veröffentlichten sie ihr erstes Album „Rope Bridge“.Mit den Ringern des Georgischen Kampf Kunst Theaters arbeitete die Band bereits zu verschiedenen Anlässen und in verschiedensten Konstellationen zusammen. Für die Show in Leipzig wurden mehrere neue Songs komponiert. Stumari zeichnet auch für die visuellen Effekte der Show. Im Anschluss an die Performance gibt es ein Konzert.

UT Connewitz, Saal, 22 Uhr
Fuck the man who started first - Georgische Kurzfilmnacht
... wird hier präsentiert von Absolventen der Staatlichen Akademie für Theater und Film in eigener Auswahl und Dramaturgie. Außerdem sind wir bestrebt, auch einige Filme des Künstlernetzwerkes GOSLAB in den Abend einzubauen.


Samstag, den 15. Oktober


UT Connewitz, 20 Uhr
Georgische Essen + intelligent electronic music:
Gogi Ge.Org + Nikakoi /Erast

Auf den digitalelektronischen Maschinen der Zukunft skizziert Gogi klare, da formal reduzierte Standpunkte, was zuerst einmal unglaublich gut tut. Samtiger Glanz, Crépuscule- Charme und stiller Widerstand zeichnen erarbeitete Freiräume, die wertvollen Zugewinn versprechen: Elektropop en-tout-cas. In den neu sortierten Zusammenhängen findet sogar festverortetes Material (Ivor Cutler, W.S. Burroughs) seine Funktion, um Weltendistanzen zu überwinden. Diese gelehrte, sich selbst bewusste Musik versteht ihr Wissen als Werkzeug. Ähnlichen Ansätzen hier und anderswo sind sie einen Schritt voraus. Die Karten sind also neu gemischt. Niemand ist vorher drauf gekommen und hatte das Talent, es so zu machen wie Gogi und seine Freunde, von denen Natalie „Tusia“ Berdize mit ihrem abstrakteren Tba-Album schon ähnliches Erstaunen auslöste. Das hier ist jetzt der Hit aus Tiflis, ein Manifest der Möglichkeiten des Moments auf klassischer Vinylalbumlänge.

»Shentimental« , das trifft die Grundlaune ganz gut. Bedeutet ja: Sentimental, davon gehe ich aus, also das sowieso, klar. Dann das wohlig-weiche »Sh« statt dem zischend scharfen »S«, das üblicherweise dem Entimentalen voran gestellt ist. Es ist ein Schlaflager, das ich mir einrichte, und wo ich mich mit meiner Sentimentalität hin zurückziehe. Meine Sentimentalität geht schließlich niemanden etwas an! Außer, ich mache Kunst daraus. Also: Shentimental, ich gebe euch etwas, das doch nicht mein ist! Entlehnt dem gleichen Zeichensatz, dessen sich Nika Machaidze bereits für seine erste längere Platte »Sestrichka« bediente. Und wieder quellen mürbe Mollsounds über, entspringen Breakbeats in Zickzack dem Transitraum Berlin-Tiflis. In dieser Zone bewegt sich Nikakoi als Mitgestalter des Film-Kunst-Musik-Kollektivs Goslab. Die Veränderung zu »Sestrichka« liegt im Entzerren. Wenn Machaidze heute Melodien will, dann zentriert er die auch. Will er üble Laune haben, dann strahlt er die an. Damit rückt er weg vom Suppenansatz von »Sestrichka«. Der klang nur anders, nicht besser oder schlechter. Auch die Titel sind wieder große Lyrik: »Balaxinwind« heißt ein Schwan von Glitch-Track, »Somethings Moving In My Liquid« ein ziemlich funkgestörtes Stück. Das Sentimentale im Shentimentalen Bewusstseins-Set liegt in der Erinnerung. Die Platte klingt wie die Summe böser, irrer, langweiliger und lustiger Träume. Die ich als Kind träumte, als sich noch ein schützender Himmel aus Elternhänden, Gebeten und Lernanweisungen über mich wölbte. Es krümmt sich noch einmal, in ein anderes Leben.

Sonntag, den 16. Oktober

naTo, 20 Uhr
OstWind elektronisch: NGA Lounge + Tusja Beridze (NBA)

Tusja Beridze (Konzert Leipzig)

Keine Unbekannte. Tusia Beridze kommt aus Georgien und ist fest im Umfeld von Goslab verankert, hat schon mit Nikakoi gearbeitet, ist generell schon sehr lange aktiv und legt hier erstmalig einem größeren Publikum ihre eigenen Tracks vor. Sofort hat man das Gefühl, direkt im Rechnergehäuse zuhören zu dürfen und wie da alles heißläuft, aber irgendwie sind einige Tracks zu intim, als dass ich da völlig einsteigen könnte. Zum Glück betrifft das nur einen kleinen Teil. Andere Stücke öffnen einem sofort ihr Herz und immens träumerisch und verspielt, gehen sofort ins Ohr, agieren mit ganz einfachen Sounds und sind dadurch so wahnsinnig charmant, dass man gar nicht anders kann, als sie zu mögen, und einen schon gar nicht auf die unausgefeilte Produktion hören lässt, denn genau die ist auch mit das Wunderbare an Tusia Beridze. Irgendwie scheint es in Georgien einen großen Freundeskreis verhuschter klassischer Orgelwerke zu geben, die hier Inspiration zu sein scheinen, dann mit den üblichen Rechnergeräuschen gepaart werden, aber dennoch diese barocke Leichtigkeit behalten. Georgien klingt. Allein das ist schon eine gute Nachricht.

Veranstaltungsorte: UT Connewitz, LOFFT, naTo, TELEGRAPH

UT Connewitz

04277 Leipzig
Wolfgang Heinze Str. 7
utconnewitz@web.de
www.utconnewitz.de

Telegraph-Café-Restaurant
04109 Leipzig
Dittrichring 18 -20
Telefon (0341) 149 49 90
www.cafe-telegraph.de

LOFFT im Theaterhaus am Lindenauer Markt
04177 Leipzig
Lindenauer Markt 21
Telefon (0341) 96 17 615
info@lofft.de
www.lofft.de

Cinemateque Leipzig / Kunsthaus die naTo
04275 Leipzig
Karl Liebknecht Str. 46
Telefonl (0341) 301 43 97 / 391 55 39
kino@nato-leipzig.de
www.nato-leipzig.de


Weitere Informationen:

Büro für Off-Theater
Andersenweg 2
04277 Leipzig
Telefon +49-(0)-341-86 32 818
E-Mail: info@bfot.de
Webseite: www.bfot.de (ab September)

Kartuli Suli wird gefördert von der Stadt Leipzig - Kulturamt, von der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen, vom Fonds Darstellende Künste Essen e.V. sowie vom Goethe Institut - Inter Nationes

PROGRAMM: KARTULI SUPRA

The Photo is from Beckilina

Supra - Die Georgische Tafel

Eine internationale Gesellschaft, darunter Georgier, Armenier, Türken, Russen, Juden und Aserbaidschaner, unternimmt eine Kreuzfahrt auf dem Schwarzen Meer. Sie haben zur Supra aufgetafelt, wobei naturgemäß ein Georgier die Rolle des Tamada übernimmt. Plötzlich beginnt das Schiff zu sinken.
Da taucht aus den Meeresfluten ein goldener Fisch auf und verkündet den Totgeweihten, dass jeder von ihnen einen letzten Wunsch frei hätte. Die Armenier, Türken, Russen, Juden und Aserbaidschaner wünschen sich, nach Hause zurückzukehren, was ihnen erfüllt wird.
Zuletzt ist der Georgier an der Reihe. Er ruft: „Bin ich Tamada, oder nicht?! Alle zurück an die Tafel!“
(belauscht und aufgeschrieben von Birgit Kuch)

Der gedeckte Tisch ist eine große Geste im Kaukasus. Vor Jahren wurde ich nachts vom Flughafen abgeholt. Es war meine erste Landung in Georgien. Raul brachte mich in seinem armeegrünen Lada in die Stadt. Es war spät in der Nacht. Das einzige Licht, die Armaturenbeleuchtung, verriet mir, dass die ganze vordere Verblendung aus einem BMW stammt. Auf der Fahrt durch die Düsternis erinnerte ich mich dann, dass jemand in der DDR mal ein Ferrari-Lenkrad in seinem Trabi hatte ...
In Tbilisi kurvten wir durch rumplige Straßen in die Stadt hinein. Die Straßen waren dunkel. Ab und an gab es einen Kiosk. Eine Glühbirne erleuchtete diesen Ort und die laue Nacht lud die wenigen Menschen ein, die noch unterwegs waren. Tief in der Nacht kamen wir bei Raul zu Hause an. In der Veranda wartete auf mich schon eine gedeckte Tafel. Ludmilla kam aus der Küche. Typische georgische Spezialitäten wurden aufgetischt. Früh um 4 Uhr wurden die ersten Trinksprüche ausgesprochen. Ich trank den halbtrockenen roten Wein. Das Licht spendeten Kerzen, da es in diesem Stadtteil gerade kein Strom gab.
Mit Wein fängt auch die Geschichte Georgiens an - sagen die Georgier. Eine Sage berichtet, wie die Menschen zu Gott gegangen sind, als er die Erde aufteilte. Die Vorfahren der Georgier wollten auch ihren Teil, doch nach einem rauschenden Fest hatten die Kaukasier es verschlafen, als Gott seine Welt an die Völker verteilte. Auf dem Weg zu Gott wurden sie dann noch angegriffen. Aufopferungsvoll und mutig kämpften sie bis sie siegten. Auch dieser Triumph wurde ausgiebig mit Wein und Tanz gefeiert. So kamen sie betrunken und verspätet zu Gott. Als sie hörten, dass sie leer ausgehen sollten, unterhielten sie den Allmächtigen mit Tanz, Musik und Gesang so lange und so ausdauernd, dass Gott weich wurde. Gott war begeistert und trat ihnen seinen göttlichen Garten ab: ein Land voller Reben.
Im Kaukasus lebt ein Volk, dass seiner Erde nahe ist. Das Leben der Georgier ist immer noch geprägt von der Jagd, vom Vieh und von Agrarkultur. Die Kaukasier leben vor allem von den Ressourcen, die ihnen die Erde gibt. So werden auch heute noch viele Speisen auf der Flamme zubereitet. Fleisch wird am offenen Feuer gegrillt; Brot und Maisbrot durch Glut gebacken. Die georgische Küche ist eine der ältesten der Welt. Das Essen wird niemals auf Vorrat, sondern immer nur frisch zubereitet. Mit den Resten werden die Tiere gefüttert. Einfache und gesunde Produkte liegen jedem Gericht zugrunde: Fleisch und Wein, Buttermilch und Käse, Früchte und frische Kräuter, Obst und Nüsse ...
Die sehr traditionelle Küche kann man als eine „Reise“ in den seelischen Ursprung aller Georgier ansehen. T. Amiredschibi sagte, dass die „Georgier Geduld am Tisch lernen. Ohne diese Gewohnheit gehen wir zugrunde! Deshalb haben wir uns die georgische Tafel ausgedacht und das ist sicherlich nicht schlecht.“ Es geht also nicht nur um das Essen, um die raffinierte Zubereitung der uralten Rezepte. Kultur in Georgien ist vor allem die Tafel. Eine traditionelle georgische Tafel ist ein großer langer Tisch - gedacht für alle Gäste. Wein und Trester sind uneingeschränkt verfügbar. Alles was auf dem Tisch steht, ist für alle da!
(erlebt und gelesen von Ralph Hälbig)

Das Essen in Georgien

Ein Essen ist in Georgien nicht einfach ein Essen, es ist ein Zeremoniell, sobald mehrere Leute anwesend sind. In Deutschland wäre es nicht ratsam, Gäste mehrmals zum gleichen Essen einzuladen, in Georgien gehört das zur Traditionsorientierung des Zeremoniells. Je wichtiger der Gast, umso traditioneller die Gerichte. Und es ist dabei nicht ungewöhnlich, dass dem wichtigen Gast mehrmals in der Woche die gleichen Gerichte serviert werden.
Die aufgetragene Überfülle macht dabei den sozialen Sinn aus. Das Angebot wird zum bedeutungsvollen Zeichen. Die Gastgeber/Innen wären todunglücklich, wenn am Ende des Abends tatsächlich alles aufgegessen wäre. Bei uns würde man sich darüber freuen - in Georgien präsentiert man den Überfluss. Wenn nur noch kleine Reste übrig sind, hat die/der Deutsche das Gefühl, dass es allen geschmeckt hat und es auch genug gab. Die Georgierin wäre unglücklich, weil es nicht großzügig genug aussähe.
Nach einem größeren Mahl ist es üblich, Freunden und Anverwandten noch Essen mit nach Hause zu geben. Man verabschiedet sich dadurch mit einem kleinen Geschenk. Generell spielt das Schenken in Georgien eine wichtigere Rolle als bei uns. Man verlängert auf diese Weise den Kontakt mit dem Gast. Außerdem wird dem Besucher in Georgien auch bei kurzen Spontanbesuchen immer etwas zum Essen angeboten. Größere Essen werden häufig von mehreren Frauen zusammen zubereitet.


Verhalten als Gast und gegenüber Gästen

Unerwünschte Gäste scheint es nicht zu geben. Der Gast ist immer ein Geschenk des Himmels, wie ein georgisches Sprichwort sagt. Jeder Gast wird immer zu Tisch gebeten. Jede Tafel ist im Prinzip um so viele Personen erweiterbar, wie noch in den Raum passen.
Man sagt selten schon beim ersten Angebot „ja“. Die gesamte Verweigerungsstrategie ist eine andere als bei uns. Wenn man nichts trinken will, lässt man sich das Glas voll gießen und rührt es dann nicht an. Es wird als unhöflicher empfunden, das Nachfüllen abzuwehren.
Zum Annehmen der Gastfreundschaft gehört es in Georgien auch, sich wirklich frei zu bedienen. In Georgien kann man sich viel eher als bei uns einfach etwas Essbares nehmen. Ganz ohne zu fragen.

Der Tamada

Zu einem georgischen Mahl mit Gästen gehören in Georgien unbedingt der georgische Wein, häufig auch georgischer Sekt und georgischer Cognac. Man trinkt nicht einfach so. Der Tafel steht ein Tisch- und Zeremonienmeister vor, der Tamada. Häufig ist dies der Hausherr, ein Freund des Hauses oder eine andere Person mit besonderem Status.
Das alltagspoetische Genre des Trinkspruches wird mündlich überliefert. Jede Generation wächst mit den Trinksprüchen auf. Der Tisch gilt als der Ort eines besonderen geistigen Wettkampfs für die Männer, der in Toasts ausgetragen wird.
Die vornehmste Aufgabe des Tamada besteht im Aussprechen elaborierter Trinksprüche. Oft wird der Trinkspruch gar in Gedichtform geäußert. Danach wird auf etwas, was im Trinkspruch thematisiert wurde, getrunken. Die Männer leeren dann das Glas bis auf den Boden. Zwischen den Toasts trinkt man nicht. Die Toasts sind thematisch weitgehend kanonisiert. Immer wird auf den Frieden getrunken, auf die Gäste und ihr Wohl, auf die Eltern, die Toten, die Kinder, die Freundschaft und die Liebe, auf die „den Tisch verschönernden“ Frauen, die Mütter, wichtige Ereignisse im Leben Anwesender. Bei der Ausgestaltung des Toasts kann der Tamada seiner Phantasie freien Lauf lassen; je origineller und witziger, umso besser. Für einen Georgier ist es ein großes Kompliment, als guter Tamada zu gelten.
(abgeschrieben auf der website (unter Bräuche) von Wolfram Jaudszims)

Eine Supra birgt immer ein Geheimnis. Unerwartetes kann daraus hervorgehen. Georgien gilt als ein Land der Romanzen und Legenden. Zur Supra eilt man mit einer feierlichen Einstellung. Das Aufregende dabei ist, dass jedem dabei ein enormer Respekt entgegengebracht wird. An der Supra ist nie ein Platz reserviert, außer am Kopf der Tafel, der ist dem Zeremonienmeister vorbehalten. Wenn die Tafel „gesegnet“ ist, dann werden die Gerichte zugewiesen, wird sich unterhalten, werden Anekdoten erzählt, unnachahmliche Witze gerissen, die Köche gelobt…

Die Supra zur Eröffnung ist im Wesentlichen unseren Gästen vorbehalten. Vergessen Sie den folgenden Termin also sofort wieder. Am Tag danach allerdings wartet die fast einmalige Chance, mitten in Deutschland, mitten in Leipzig an einer georgischen Tafel zu sitzen, einem Tamada auf das Glas zu blicken, also Georgien zu erleben, Georgien zu fühlen - und zu schmecken. Und wenn Sie zögern, lesen Sie die oben geschriebenen Texte einfach noch einmal.


Eröffnung - Mitternachtssupra

Restaurant TELEGRAPH, Dienstag, den 11. Oktober
24 Uhr



Supra


Restaurant TELEGRAPH, Mittwoch, den 12. Oktober
22 Uhr

Plätze für die Eröffnung sind naturgemäß (auch durch die georgischen Gäste) ausverkauft.
Die Supra am Mittwoch, dem 12. Oktober ist eine reguläre Veranstaltung.
Reservierung wird dringend empfohlen.
Einheitspreis: 13 Euro

PROGRAMM: THEATER

Tiflis. Theater. Publikum

In der georgischen Hauptstadt gibt es derzeit über 30 Theater, darunter sechs privat betriebene Häuser. Dies ist viel im Vergleich zu einer handvoll Kinos, in denen man nur selten einen georgischen Film zu sehen bekommt. Trotz der gepfefferten Eintrittspreise, oft 10 Lari - was durchaus ein Viertel eines Monatslohnes sein kann - sind die meisten Vorstellungen immer bis auf den letzten Platz ausgebucht.
Diese Begeisterung der Tifliser für das Theater erklärt sich nur teilweise aus den wenigen anderen Unterhaltungs- und Vergnügungsmöglichkeiten, die die Stadt zu bieten hat. Man geht eben gern ins Theater. Jeder hat dem Fremden gegenüber etwas über die Bühnen der Stadt zu berichten, jeder hat seine eigene Beziehung zur darstellenden Kunst, manche eine sehr persönliche: Einige Georgier verweisen auf die Theatralität der georgischen Kultur und behaupten, dass jeder von ihnen ein großer Schauspieler wäre. Abseits der Bühnen versteht sich.
Ältere Theatergänger schwärmen vom Mardshanischwili und freuen sich auf die Wiedereröffnung des Hauses in der kommenden Saison. Andere fiebern neuen Inszenierungen am Rustaweli entgegen, das ebenfalls renoviert wurde und nun wieder öffnen soll. Allgemein wird besonders die Genialität von Regisseur Robert Sturua gepriesen, auch wenn ihm mancher nachsagt, dass seiner Schaffenskraft langsam der Schwung ausgeht. Andere behaupten, dass seine heute legendäre Inszenierung des „Kaukasischen Kreidekreises“, die mehrere Jahrzehnte lang auf dem Spielplan stand, besser als jene von Brecht gewesen wäre.
Ebenso zur Tifliser Theaterlandschaft gehören Folkloregruppen, die, wenn sie auch ein Teil des Erbes sowjetischer Kulturpolitik und etwas altbacken sein mögen, dennoch beim Publikum enorm beliebt sind. Zu einer Vorstellung des Ensemles „Rustawi“, mit der die Oper die letzte Saison beschloss, erschien ein bunt gemischtes Publikum, darunter auch viele junge Leute. Nach drei Tänzen brannte die Luft: Das Publikum scheint Bestandteil der Aufführung zu werden, ständig unterbrechen die Tänzer ihren Auftritt für den Szenenapplaus; nach einem äußerst feurigen Messertanz betreten die Musiker die Bühnenmitte und spielen ein leises, leichtes Flötenstück. Es sieht so aus, als wäre dies zur Beruhigung der Masse auch dringend notwendig, sie scheint im Stande, die Oper anzuzünden. In der Pause wird geraucht, gelärmt, und nach Bekannten Ausschau gehalten. Frauen schwenken ihre Maraos, bis es weitergeht.
Eine andere Aufführung zum Saisonende war Mrozeks „Emigranten“ im neu eröffneten Atoneli Theater, das eher junges, eher wohlhabenderes Publikum anzieht. Auch hier werden aus Zuschauern Mitwirkende, die jeden Witz ausgiebig belachen und beklatschen, so dass auch diese Vorstellung mehrmals unterbrochen werden muss.
Während der auch heute noch nicht gänzlich behobenen Energiekrise wurde die Beharrlichkeit des Tifliser Publikums sprichwörtlich - es strömte trotz mangelnder Beleuchtung und Beheizung der Spielstätten in den Wintermonaten nachmittags in die Theater und ermöglichte durch mitgebrachte Kerzen die Aufführungen.
Ein weiterer Aspekt der Theaterbesessenheit der Tifliser offenbart sich, wenn man zum Pantheon auf dem Mtazminda (Heiliger Berg) heraufsteigt, wo wichtige Persönlichkeiten bestattet wurden, die zum Wohle der georgischen Gesellschaft beigetragen haben. Gut die Hälfte dieser Personen des öffentlichen Leben waren mit der Bühne verbunden, wie z.B. der Regisseur Kote Mardshanischwili, der Schauspieler Uschangi Trcheidse oder der Tänzer Wachtang Tschabukiani.
Wenn man dazu bedenkt, dass dem Theater identitätsstiftende Funktion zukommt, dass das Theater einer der wenigen Orte ist, an dem Öffentlichkeit probiert und ausgetragen wird, gewinnt das Phänomen der Tifliser Theaterliebe an Klarheit. Selten wird man einem Einwohner der Stadt begegnen, der sich nicht über das Geschenk einer Theaterkarte freuen würde.
(Birgit Kuch im August 2005)

PS:
Der "Alte Meister" Robert Sturua und der weltbekannte Puppenspieler Rezo Gabriadze gastierten bereits mehrmals in (West)Europa und waren für MANöVER kein Sichtungsschwerpunkt. Gern hätten wir das beliebte Privattheater "Sardapi" eingeladen, allerdings drängte sich keine Inszenierung des Hauses für einen Transfer nach Leipzig auf. Die erwähnten „Emigranten“ hätten im Ausland einiges an Einfühlung erfordert, die wir unserem Publikum durchaus zugemutet und zugetraut hätten, wenn es sich nicht um so sprachdominiertes Theater gehandelt hätte. Wirklich schade ist es um die schwungvolle und unterhaltsame, kurz stringente, kluge, schöne Inszenierung des Stückes „Nugzar und Mephisto“ des Autors Lasha Bugadze und des Regisseurs Georgi Tavadze am „Royal District Theatre“. Hier wäre eine genaue Simultanübersetzung nötig gewesen, eine Textmaschinerie, die viel Atmosphäre zerstört hätte. Die Atmosphäre eines der schönsten Theater Tbilisis, die wir in unseren Spielstätten ohnehin nicht hätten herstellen können.
Leider.

Gocha Kapanadze & Ensemble
Medea


In der antiken Tragödie von Euripides (aus dem 5. Jahrhundert vor Christi) passiert im Wesentlichen folgendes:
Der Grieche Iason verlässt seine Frau Medea und die gemeinsamen Kinder. Seitdem führt Medea ein Schattendasein, angefüllt mit Tränen und Flüchen. Als sie erfährt, dass der König Kreon plant, sie aus Korinth zu verbannen, beschließt sie umfassend Rache zu nehmen. Sie sendet vergifteten Schmuck in den Königspalast, worauf sowohl die neue Frau Iasons, die Königstochter Kreusa, als auch König Kreon sterben. Iason eilt nach Hause, aber er kommt zu spät: Medea hat auch ihre beiden Kinder getötet.

Es gibt auch Quellen, die diese angeblich wahre Geschichte anders erzählen:
In reality it was not Medea who killed her children, but Corinthians. They did it for revenge and then ordered a play to Euripide about a foreigner Medea accused of assassination of her own sons.
(Parmenike, griechischer Geschichtsschreiber im 3. Jahrhundert vor Christi)
In Corinthia Medea poisoned Creont, but since she was affraid of his friends and relatives, she fled to Athens. Her sons were to little and could not follow her. (...) However, Creont’s family killed them and spread the word that Medea assassinated not only Creont but also her own children.
(Creofile of Samoa in „Taking Ecalia“, etwa 700 vor Christi)

Der Regisseur Gocha Kapanadze arbeitet in Tiflis bewusst nicht an einem Stadttheater, er will es anders versuchen, mit einem freien, einem wechselnden Ensemble. Wo ist der Unterschied? Auch bei „Medea“ sind - wie fast immer und überall in Georgien - sehr viele Darsteller auf der Bühne, auch bei „Medea“ wird viel gesprochen, aber es wird auch geschwiegen und geschrien und getanzt, es gibt etwas wildere Musik, etwas weniger „Theaterdonner“ und etwas weniger buntes Licht als an den großen Bühnen. An einer älteren Arbeit Kapanadzes im abchasischen Suchumi lassen sich wichtigere Motive festmachen: In „Makhaz“ wird eine geschlossene, weltabgewandte Gesellschaft thematisiert, in der Männerbünde und Traditionen dominieren und jedes Aufbegehren gefährlich sein kann. So etwas lässt sich nicht überall mit öffentlichem Geld auf eine Theaterbühne bringen.
Zurück zu „Medea“: Was immer Theater in Georgien im Detail ist oder im Zweifelsfall ausmacht – dieser Abend legt eine Spur, kann einen Eindruck vermitteln, ist also ein gutes Beispiel. „Medea“ ist nicht nur interessant weil die Heldin unter heutigen Gesichtspunkten eine Georgierin - im Exil - wäre, das alte Kolchis, auch die Assoziation „Das Goldene Fließ“ plötzlich plastisch werden, nein, es gibt auch eine besondere Art der Einfühlung, eine besondere Art der Wertschätzung dem Text, der Begebenheit gegenüber und einen sehr intensiven Umgang damit - der z.B. in einer deutschen Inszenierung nur schwer vorstellbar und kaum glaubwürdig wäre.

Presse
Eine prächtige, sehr emotionale Aufführung. (Alec Dupo, Regisseur aus Frankreich)
Diese „Medea“ vereint es mutig, das archaische und das moderne Theater. (Manana Gegetchori in „Droeba“)
Braucht man im 21. Jahrhundert noch das Theater? Natürlich, und diese herrliche „Medea“ bestätigt das. (Nino Matchawarlani in „Teatri“)
Medea ist wie ein Vulkan. (Pikria Kushitashvili in „Kultura“)

Medea, Tochter des Königs von Kolchis: Marina Kakhiani
Circe, Medeas Tante: Darejan Kharshiladze
Kreon, König von Korinth: Dimitri Jaiani
Iason, Medeas Mann: Gocha Kapanadze
Vorsehung: Teona Guramishvili
Frauen von Korinth: Irina Gudadze, Marina Sagaradze, Darejan Kharshiladze
Kreons Wache: Misha Kvichrelishvili, Roland Okropiridze, Goga Salukvadze

Textfassung: Gocha Kapanadze nach Euripides und Jean Anouilh
Ausstattung: Anna Ninua
Choreographie: Iliko Sukhishvili jr.
Inszenierung: Gocha Kapanadze

Wir verzichten bewusst auf Übertitelung und/oder Simultanübersetzung. Die georgische Sprache ist gerade in dieser Inszenierung wie Musik.

Zum Nachlesen wird es am Abend der Aufführung gedruckte Übersetzungshilfen geben.

Medea

Donnerstag, den 13. Oktober
LOFFT, 20 Uhr



Georgisches Kampf Kunst Theater + die Band Stumari Khridoli

Das Konzept, der Inhalt dieser Show könnte ebenso gut einem Rechercheprojekt modernen Tanzes oder europäischer Performance-Kunst entsprungen sein: Das Schwert als Teil des Darstellerkörpers, die Suche nach dem Feind, Gefährdung des Körpers (durch schwere Kämpfe, Ringen und Fechten), (extra komponierte Live-) Musik, (archaischer) Tanz und Gesang.
Im Gegensatz zu anderen georgischen Folklore-Shows sind hier keine Artisten auf der Bühne, hier zeigen wirkliche Kämpfer, dass ihr Sport durchaus auch Kunst ist. Erstere erinnern immer ein wenig an Gymnastik, dies hier ist seinen besten Momenten atemberaubende Kampf(es)kunst. Die gibt es natürlich auch in Asien, nur dass die Georgier ein wirklich kriegerisches Volk sind - und hier viel von ihrem Wesen, ihren Leidenschaften preisgeben. Natürlich bleibt „Khridoli“ ein Abend, der fast eins zu eins traditionelles Brauchtum abbildet, aber er hat Dramaturgie und Tempo. Fast die ganze Show erzählt davon, wie man sich gegen eindringende Feinde wehrt. Und das macht sie theatralischer als vieles, was im georgischen Theater sonst angeboten wird. Spannend und exotisch ist sie sowieso.

Stumari wurde im Jahr 2000 gegründet. Die Musiker vertonen alte Texte, die sie in Bibliotheken und Archiven finden. Ihre Musik wirkt zeitlos, basiert aber auf alten georgischen Traditionen. In Georgien gelten sie als eine Band, die gleichermaßen bewahrt und erneuert. Stumari wird nicht nur zu Folk- sondern ebenso oft zu Fusions-Musik-Festivals eingeladen. In diesem Jahr veröffentlichten sie ihr erstes Album „Rope Bridge“.
Mit den Ringern des Georgischen Kampf Kunst Theaters arbeitete die Band bereits zu verschiedenen Anlässen und in verschiedensten Konstellationen zusammen. Für die Show in Leipzig wurden mehrere neue Songs komponiert. Stumari zeichnet auch für die visuellen Effekte der Show.

Im Anschluss an die Performance gibt es ein Konzert.

Gitarre: David Khositashvili
Flöte und Gesang: Nino Janjgava
Geige und Gesang: Marina Janjgava
Percussion: Guram Makalatia

Georgisches Kampf Kunst Theater + die Band
Stumari Khridoli

Freitag, den 14. Oktober
LOFFT, 20 Uhr

PROGRAMM: INTELLIGENT ELECTRONIC MUSIC




Musik aus einem kulturellen Schmelztiegel

Den folgenden Einführungen möchten wir wenig voranstellen. Außer dass wir uns auf die elektronisch dominierten Musik-Abende in UT und naTo sehr freuen. Da die Moderne im Bereich Theater/Tanz in Georgien nur sehr zaghaft Einzug hält, übernimmt die Musik – auch durch konzeptionelle und visuelle Elemente – gewisse Avantgarde-Funktion. Und ist trotzdem massenkompatibel und international erfolgreich. Nicht zuletzt dadurch, weil sie auf ihre Spezifiken baut, ihre Wurzeln nicht verleugnet.

Music from the cultural melting pot: Asia meets Europe meets the Orient in the Transcaucasian republic of Georgia.
Against the background of a very old culture of Georgian folk music, modern Georgian musicians started creating electronic music when samplers of this kind of music first approached the country in the late 1980s. They began mostly with imitations of new wave, the new romantics and the typical synthy sound of that time. The 90s then brought computers and internet and also the end of the Soviet Union of which Georgia was part of. Since then, Georgian musicians got the opportunity to visit western countries. They brought home new experiences and also the technical know-how of making this kind of music. A characteristic style was developed, which is striking for the whole genre of Georgian Electronic Music apart from its different branches: bizarre and exotic mixtures of western influences combined with elements of Georgian Folk Musik, which itself contains the whole variety of rudiments of Asian, Oriental as well as European music. Multicultural melodies meet the artificially designed sounds of electronic machines strongly influenced by jazz and individually mixed by the various artists. A very special musical experience!

Still, electronic music is very underground in Georgia. Most of the artists are involved in other musical projects apart from electronic music and many of them are visual artists as well as musicians. Now its time to free this music from being an interesting side project!
(aus Materialien zu NGA, "Neuer Georgischer Ästhetik")


Gogi Ge.Org

Als es noch keine Zukunft gab, hatte Popmusik viel zu tun. Die Menschen wollten träumen und sich zugleich dessen versichern, was sie zu fühlen meinten: dass alles bald ein Ende haben wird. Viele der schönsten Platten dieser Zeit vereinten beide Wünsche und gewannen. Sie lernten von Kraftwerk und vom Bossa Nova und fanden dort anderes als totes, geschmackvolles Ambiente.Die Zukunft versprach von 1989 bis 2000 finanzielles Glück, sie veränderte zuerst den Osten und überzog ihn dann in unserer Vorstellung mit dreckiggrauem Kleister, alles gleich, alles trist, alles nichts. Doch wo hier im Namen der vergangenen Epoche aus den Charts die alten Lieder schmettern, werden im milden Georgien die genannten Pop-Referenzen neu belebt und eine elektronische Musik für die Zeit nach der Zukunft entwickelt. Eine Clique aus Tiflis präsentiert nun mit Gogi.ge.orgs Debütalbum den überzeugenden Entwurf. Vielleicht weil ihre Akteure aufmerksamer, das Material unbelasteter und die Konfrontation mit den Veränderungen unmittelbarer sind, emulieren sie ihr Wissen auf neuen Werkzeugen zu relevanten Pop- und Club-Sensibilitäten. Die gelassene Selbstverständlichkeit, in der sich die an „Post Industrial Boys“ Beteiligten auf dem Cover versammeln, unterscheidet sie von anderen Plattenhüllen-Repräsentanten. Aus ihren Stimmen spricht Zuneigung, Stoik, Distanzierung, auch eine selbstverständliche Romantik. Im Land des schönen Gesangs wohnen Hipster, die sich über Schriftsteller definieren. Es geht ihnen um Details: genau hinsehen, sich selber beschreiben und wissen, dass man nicht so ist wie die anderen. All das bewegen federnde, oft südamerikanisch geprägte Rhythmen in detailreichen Tracks mit graziöser Eleganz. Auf den digitalelektronischen Maschinen der Zukunft skizziert Gogi klare, da formal reduzierte Standpunkte, was zuerst einmal unglaublich gut tut. Samtiger Glanz, Crépuscule- Charme und stiller Widerstand zeichnen erarbeitete Freiräume, die wertvollen Zugewinn versprechen: Elektropop en-tout-cas. In den neu sortierten Zusammenhängen findet sogar festverortetes Material (Ivor Cutler, W.S. Burroughs) seine Funktion, um Weltendistanzen zu überwinden. Diese gelehrte, sich selbst bewusste Musik versteht ihr Wissen als Werkzeug. Ähnlichen Ansätzen hier und anderswo sind sie einen Schritt voraus. Die Karten sind also neu gemischt. Niemand ist vorher drauf gekommen und hatte das Talent, es so zu machen wie Gogi und seine Freunde, von denen Natalie „Tusia“ Berdize mit ihrem abstrakteren Tba-Album schon ähnliches Erstaunen auslöste. Das hier ist jetzt der Hit aus Tiflis, ein Manifest der Möglichkeiten des Moments auf klassischer Vinylalbumlänge.
(Oliver Tepel im Mai 2004 in spex über das Album „Post Industrial Boys“ von Gogi.ge.org)



Post Industrial Boys is the debut album by Gogi Ge.Org aka George Dzodzuashvili. Seven different voices are found on Post Industrial Boys. All share an affinity to Goslab, a group of artists from Tbilisi, Georgia (including TBA/Natalie Beridze, Nikakoi, Gio + Maya Sumbadze...). Goslab is a phantom, which manifests itself as a culture through the performances of individual members and their various projects. In this sense, Goslab is somewhat like Georgia. Georgia is a post-communist phantom -- a pipeline in Off-Europe. A projection screen. There is a 5-hour time difference between London and Tbilisi. Tbilisi starts singing while America and Western Europe are still asleep. Post-industrial: The fifth Kondratieff wave will see the transition from hardware to software. Marx is on the finish line, somewhere between the greater and smaller Caucasus. Oil is entropy, ashes. 'Reproduction of what cannot be transformed' (Paul Valéry). Survival in global capitalism. Post-industrial joys. Streams. Sounds.
(gefunden auf www.forcedexposure.com)


Nikakoi/Erast

Emotronic Inc. hat eine neue Filiale, aber den Exotenbonus könnt ihr gleich in die Schluchten des Kaukasus schleudern, denn NIKAKOI aus Georgien will ihn nicht. Schließlich ist die Musik, die er für WMF Records produziert hat, keinesfalls außergewöhnlich im Sinne von fremdartig oder, noch schlimmer, folkloristisch georgisch. Außergewöhnlich ist vielmehr, dass aus einem Land, das neben seinem Sohn Stalin vor allem für Teeanbau, Zitrusfrüchte und leckeren Wein bekannt ist, auf einmal schnuckelig-flauschige Musik im Sinne der neuen Warp-Schule und ihren Widerspiegelungen im weltweiten Netzwerk der Nette-Jungs-Elektronik auftaucht. In die kleine ehemalige Sowjetrepublik, nordöstlich der Türkei am Schwarzen Meer gelegen, konnte man vor einigen Jahren nicht mal unbehindert reisen, weil in der Nachbarschaft die Russen gerade abtrünnige GUS-Staaten bombardierten. Und jetzt regt sich dort das Kollektiv GOSLAB, das im mediterranen Klima der Hauptstadt Tiflis klassisch interdisziplinär Film, Kunst, Mode, Text und Musik zusammenführt, und dessen Mitglied der Typ ist, der sich auf Russisch „Niemand“ nennt. NIKAKOI hat, nach Musik für eine Botho Strauss-Inszenierung und Kurzfilmen in Oberhausen, seinen Plattendeal ganz simpel durch gefeierte Auftritte in Paris und Berlin bekommen. NIKAKOI erweitert auf „shentimental“ die altbekannten Plinkermelodien, Effekte und Schredderbeats höchstens mal um New Wave-Gekrächze auf Georgisch, New Wave-Sprechgesang auf Englisch oder geht ein paar Schritte zurück zu altem APHEX TWIN-Ambient - und klingt ansonsten, wie man bei so etwas eben klingt. Das wiederum ist kein Symptom von globaler Gleichmacherei. Sondern ein ermutigender Wink dafür, dass elektronische Musik als Ausdrucksmittel auch in, aus böse eurozentristischer Perspektive, abgelegenen Orten der Welt funktioniert. Wenn nicht gerade der Strom ausgefallen ist.
(Maik Höfer im Juni 2003 für Radio 19.4, www.radio19-4.de)

Gut so: Von Osteuropäern unterwandert, auch WMF Berlin! Nikakoi (russ: Niemand) aus Georgien schiebt nach „Sestrichka“ den noch sentimentaleren Zweitling nach. Obwohl einige Tracks wie die Opener auf etwas unruhigem (wildgewordene Bassdrum, auf sich aufmerksam machende Melodien) Terrain gebaut sind, lullt das Album nach einiger Zeit mit sanfteren Gemütlichkeiten ein. Allein die weibliche Stimme auf „Krasnagorsky“ verbreitet sentimental moods pur. Lazy Russian afternoon! Nikakoi ist ein Meister unaufdringlich-drögen Soundgewölks. Es gehen nämlich unschuldig gebrochene Beats und zerhäckselt- bzw. verfremdetes russisches bzw. georgisches Liedgut eine gesunde Liaison ein. Und fürwahr, verbrämt mit Houseschnörkseln und Electronicazutaten ergibt das eine salooneske Mischung. (Alfred Pranzl im Oktober 2003 für „skug“)


arte berichtete im November 2004 in der Sendung TRACKS über Nikakoi:
Backstage - goslab
Ein neidvoller Blick auf Georgien und das Künstlernetzwerk goslab

Nach den Sets aus Georgien – und einer Pause – legt Heim-DJ LXC noch ein paar Absacker auf.


Gogi Ge.Org + Nikakoi /Erast

UT Connewitz, Samstag, den 15. Oktober
20 Uhr



OstWind elektronisch: NGA Lounge – Neue Georgische Ästhetik

Am Abend nach der Nacht im UT gibt es in der naTo eine kleine Variante „Neue Georgische Ästhetik“.
Wenn alles gut geht, schaffen es OstWind und MANöVER 2005 - Kartuli Suli neben Gogi Ge.Org und Nikakoi/Erast ein weiteres Aushängeschild georgischer elektronischer Musik, Tusja Beridze/TBA, in einer Veranstaltung zu präsentieren. Alle drei sind Gründungsmitglieder des oben beschriebenen Netwerkes „goslab“, eines Labors von Künstlern in Tätigkeitsfeldern von Musik über visuelle Medien bis hin zu Mode.
Ergänzend zum gestrigen Abend sind sind die drei angehalten in der naTo Sachen zum Anhören zu spielen, Soundspielereien, eher experimentelleres Material.

Tusja Beridze (aka TBA)

Sofort hat man das Gefühl, direkt im Rechnergehäuse zuhören zu dürfen und wie da alles heißläuft, aber irgendwie sind einige Tracks zu intim, als dass ich da völlig einsteigen könnte. Zum Glück betrifft das nur einen kleinen Teil. Andere Stücke öffnen einem sofort ihr Herz und immens träumerisch und verspielt, gehen sofort ins Ohr, agieren mit ganz einfachen Sounds und sind dadurch so wahnsinnig charmant, dass man gar nicht anders kann, als sie zu mögen, und einen schon gar nicht auf die unausgefeilte Produktion hören lässt, denn genau die ist auch mit das Wunderbare an Tusja Beridze. Irgendwie scheint es in Georgien einen großen Freundeskreis verhuschter klassischer Orgelwerke zu geben, die hier Inspiration zu sein scheinen, dann mit den üblichen Rechnergeräuschen gepaart werden, aber dennoch diese barocke Leichtigkeit behalten. Georgien klingt. Allein das ist schon eine gute Nachricht.
(thaddi auf www.de:bug.de über die CD „TBA“, erschienen bei Max.Ernst)


OstWind elektronisch: NGA Lounge – Neue Georgische Ästhetik

naTo, Sonntag, den 16. Oktober
20.30 Uhr

Das Konzert - siehe hier: weiter >>>

PROGRAMM: GEORGISCHE FILMWOCHE

MANöVERfilmwoche

„Das georgische Kino ist eben das georgische Kino, und zwar in dem Sinne, als dass es das Leben und die Seele dieses kleinen Volkes, seinen Standpunkt, seinen Geschmack und seine Ästhetik widerspiegelt. Und deshalb hat es auch seinen eigenen Platz im weltweiten Kino.“
(Eldar Schengelaja)

Diese kleine „Woche des georgischen Filmes“ innerhalb des Festivals MANöVER 2005 ist ein Streifzug durch die interessante und vielgestaltige Kinematographie des Landes. Mit 3 repräsentativen Stummfilmen (einer davon wird nur in der „Cinemateque“ in der naTo gezeigt), einer Auswahl legendärer, ziemlich verschrobener Kurzfilme aus den späten 60er Jahren - der Hoch-Zeit dieses Genres, einem frühen Film des Ausnahme-Regisseurs Tengis Abuladze, einem endsozialistischen Klassiker des schwarzen Humors und einem neuen Film, der den Bürgerkrieg in Abchasien und seine Folgen für das heutige Georgien thematisiert, spiegelt dieses Programm fast 100 Jahre Filmgeschichte.

Georgiens Filmgeschichte begann unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg. Nach der Okkupation des Landes durch die Sowjetunion entstand bereits in den 1920er Jahren eine gut organisierte staatliche Filmindustrie, die in den 1980er Jahren alle zwölf Monate sieben bis acht Spielfilme und eine Reihe von Dokumentar- und Trickfilmen produzierte. Georgische Filme fielen frühzeitig durch Originalität und Kritik auf, wurden deshalb immer wieder von der Zensur unterdrückt. Nach der staatlichen Unabhängigkeit ging es mit der Filmproduktion in Georgien bergab.

(Anfänge)

Am 16. November 1896 wurde das erste Kino Georgiens in Tiflis eröffnet. Der erste georgische Film entstand 1912 unter der Regie von Wasil Amaschukeli und Alexander Digmelow. Es war ein Dokumentarfilm zum 72. Geburtstag des Schriftstellers Akaki Zereteli und zeigte dessen Reise durch Westgeorgien. 1916 drehte Alexander Zuzunawa den ersten georgischen Spielfilm: Christine, eine klassische Literaturverfilmung. Im Ersten Weltkrieg war Tiflis nach Sankt Petersburg die zweite Stadt des Russischen Reiches, dessen größere Kinos Wochenschauen vorführten.

(Erste Blüte)

Ende der 1920er Jahre erlebte der georgische Film seine erste Blüte. Konstantin Mikaberidse drehte „Meine Großmutter“ (1929), eine komödiantische Satire auf die sowjetische Bürokratie. Nikolos Schengelaja produzierte „Eliso“ (1928), einen Stummfilm über die Deportation der Tschetschenen 1864 und Michail Kalatosow (gebürtig Michail Kalatosischwili) produzierte „Das Salz Swanetiens“ (1930) einen Dokumentarfilm über das harte Leben im Gebirge.

(Stalinismus)

In den 1930er und 1940er Jahren unterdrückte der stalinsche Terror alle kritischen und originellen Tendenzen. Der Diktator verlangte stereotype Helden im Dienst der Staatsideologie. Lieblingsregisseur Josef Stalins war Micheil Tschiaureli, der für ihn Monumentalfilme wie „Der Schwur“ (1946) und „Der Fall von Berlin“ (1950) herstellte. Sie waren Teil des Personenkults um Stalin. Im Film wurde er vom georgischen Schauspieler Micheil Gelowani gespielt.

(Neue Formen)

Im Zuge der Entstalinisierung während der 1950er Jahre überraschte Georgien durch neue kritische Filme. „Wenn die Kraniche ziehen“ (1957), ein Antikriegsfilm von Michail Kalatosow, glänzte mit fotografischen Neuerungen. „Magdanas Esel“ von Tengis Abuladze schilderte als erster die fortbestehende Armut im Sozialismus. Viele Regisseure eiferten Abuladze nach und strebten nach einer neuen Wahrhaftigkeit. Weil die sowjetische Filmzensur unverändert präsent war, suchten sie nach Parabeln, Mythen und Epen, um Gleichnisse zur Gegenwart zu erzählen. Auf der Grundlage der georgischen Literatur, Kunst und Musik entwickelten sie eine neue Bildsprache.
In den Studios der Grusja-Film (georgisch Kartuli Filmi) entstanden in den 1960er und 1970er Jahren mit internationalen Preisen geehrte Meisterwerke. Es waren zumeist verspielte Komödien und böse Satiren. Sie ignorierte die traditionelle Erzähltechnik, zeigten dafür kräftige poetische Bilder, eine große Vielfalt und dramatische Übersteigerungen bis hin zur surrealen Groteske. In den 1980er Jahren trat die Kritik an den gesellschaftlichen und polirischen Verhältnissen scharf und naturalistisch in den Vordergrund. Die Regisseure waren neben Abuladze, Eldar und Giorgi Schengelaja, Otar Iosseliani, Lana Gogoberidse, Michail Kobachidse, Nana Dschordschadse und Dito Tsintsadze.
Bei Grusja-Film wurde grundsätzlich in georgischer Sprache gedreht. Später wurden die Filme für andere Sowjetrepubliken russisch synchronisiert. Wie in der Planwirtschaft üblich, musste jährlich eine festgelegte Anzahl von Filmen fertig gestellt werden. Für Regisseure gab es viel zu tun. Bis in die 1970er Jahre hinein wurden sie am Staatlichen Filminstitut (WGIK) in Moskau ausgebildet. Seit 1972 gibt es eine Filmfakultät am Schota-Rustaweli-Theaterinstitut, dem späteren Staatlichen Georgischen Institut für Theater und Film in Tiflis.

(Zensur)

Die Filmzensur zog immer wieder unliebsame Filme aus dem Verkehr. Schon Mikaberidses „Meine Großmutter“ durfte auf Verlangen der Zensur von 1928 bis 1967 nicht aufgeführt werden. „Pirosmani“ (1969) von Giorgi Schengelaia verschwand für zwei Jahre im Archiv. Otar Iosselianis Filme wurden mehrfach unterdrückt. Nachdem sein Film „Ein Sommer auf dem Dorf“ in den 1980er Jahren nicht veröffentlicht werden durfte, ging er ins Ausland. Abuladzes „Reue“, eine Abrechnung mit dem stalinistischen Terror wurde 1984 fertig gestellt, kam aber erst 1986, in Moskau sogar erst 1987 ins Kino. Oft wurden bereits die Drehbücher verboten. Zu den besonders verfolgten Autoren gehörte Sergej Paradschanow, dessen Skripte regelmäßig abgelehnt wurden.

(Niedergang)

Nach der staatlichen Unabhängigkeit Georgiens 1991 wurde die Filmzensur abgeschafft. Mit dem Niedergang der georgischen Wirtschaft ging es aber auch mit der Filmwirtschaft bergab. Wegen Schwierigkeiten bei der Finanzierung ziehen sich Produktionen über Jahre hin. Mitarbeiter beim Film verdienen zwischen 15 und 35 Lari (6,1 bis 14,3 Euro) im Monat. Das sind Gehälter weit unterhalb der Armutsgrenze.
Immer mehr Regissseure zogen ins Ausland. Neben Frankreich (Iosseliani, Kobaschidse) hat sich Deutschland (Dschordschadse, Dito Tsindsadze) als ein Standort des georgischen Films im Ausland etabliert. Um wenigstens einen Teil der Regisseure im Land zu halten, wurde 2001 das Nationale Zentrum für Cinematografie gegründet, das jedes Jahr zwei Filmprojekte auswählt, die zu 75% mit staatlicher Förderung in Georgien gedreht werden.
(Quelle: www.wikipedia.org)

Kobakhidzes Musikosebi / Musiker und andere legendäre Kurzfilme
Sonntag, den 9. Oktober, UT Connewitz
20 Uhr
Georgien, die kleine Nation am Rande des Kaukasus, ist ein großes Filmland mit eigenständiger Tradition. Die Filme zeichnen sich durch einen subversiven Humor aus. Regisseure wie Tengis Abuladze und Otar Iosseliani entwickelten ihre eigene Filmsprache, um Wahrheiten an der Zensur vorbei zu formulieren. Sie fanden dabei einen universellen Ton, so dass ihre Filme auch außerhalb Georgiens große Resonanz fanden. Eine besondere Stellung nahmen Kurzfilme ein, lassen sich hier doch Situationen und Aussagen besonders gut zuspitzen.
(Gisela Kruse für eine Filmreihe von LILE e.V. in Hamburg)
Die Filmtitel sind schlicht. Sie heißen „Junge Liebe“ und „Karussell“, „Der Krug“ oder „Die Gäste“, und ihr Inhalt ist hintersinnig, humorvoll oder poetisch-surreal. Von der Zensur bedrängt, entstanden in Georgien Leinwand-Parabeln, Filme von magischem Realismus, doppelbödigen Bildern, Filme an der Grenze zur Malerei, zum absurden Theater, Hommagen an den Stummfilm und den chaplinesken Humor.
(Hamburger Abendblatt)
Michael Kobakhidze wurde 1939 in Tbilisi geboren. Er studierte Schauspiel und Regie bei Sergej Gerassimow in Moskau. In dieser Zeit entstand sein erster Film „Junge Liebe“ (1961), für den er als Regisseur, Schauspieler sowie Drehbuchautor fungierte. Der Film hat viel Aufmerksamkeit erregt und ist mit dem 1. Preis für Studentenfilme ausgezeichnet worden. Nach „Karussell“ (1962) drehte Kobachidse seinen Diplomfilm „Die Hochzeit“ (1964), der zahlreiche internationale Preise erhielt, so z.B. in Oberhausen, Sydney und Buenos Airos. Auch der Kurzfilm „Der Regenschirm“ (1967) wurde im westlichen Ausland mehrfach prämiert.
1968 begann Kobakhidze seinen ersten Langfilm „Hoffnungen“, der aus vier Teilen bestehen sollte. Als er den ersten Teil beendet hatte, erteilte ihm die sowjetische Regierung Arbeitsverbot. Kobakhidze wurde vom damaligen Minister für Kinematographie des „Formalismus“ beschuldigt. Die sowjetischen Behörden lehnten seinen lyrisch-komischen Stil ab. Kobakhidze realisierte in der damaligen UdSSR nur noch wenige Zeichentrickfilme und lebt nach erzwungener mehrjähriger Stille seit 1996 in Paris.
(aus Materialien des Kommunalen Kinos in der naTo, das im Jahr 2001 u.a. Kobakhidzes Filme „Die Hochzeit“ und „Der Regenschirm“ präsentierte)
Wir zeigen Kobakhidzes letzten Kurzfilm „Musikosebi“ aus dem Jahr 1969.
Informationen zu den weiteren Filmen werden am Tag der Aufführung bekannt gegeben.


Eliso / Elisso
Montag, den 10. Oktober, UT Connewitz
20 Ihr
UdSSR/Georgien 1928, s/w, 77 min., vertont 1935, deutsche Texttafeln
Regie: Nikolai Schengelaja, Buch: Sergej Tretjakov
Der Film basiert auf Motiven einer gleichnamigen Novelle von Aleksander Kazbegi, hat aber in Bildgestaltung und Story starke quasi-dokumentarische Züge. Schengelajas bekannteste Arbeit beschäftigt sich mit einer wahren Begebenheit aus den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts, als das Volk der Tschetschenen aus dem zaristischen Rußland in die Türkei zwangsumgesiedelt werden sollte. In Werdi, einem friedlichen tschetschenischen Dorf, gelingt es russsischen Kosaken, die das Dorf für sich übernehmen wollen, die Einwohner durch Vorspiegelung falscher Tatsachen zum Weggehen zu bewegen. Die Kosaken finden aber nur ein niedergebranntes Dorf vor, weil die Tochter des Dorfältesten, Elisso, es vor der Umsiedlung in Brand steckt. Vor diesem aktionsreichen, politischen Hintergrund wird im Film die Geschichte der zukunftslosen Liebe zwischen der Muslimin Elisso und dem christlichen Tschewtschuren Wajia erzählt. Am Ende verlässt Elisso den Geliebten und geht zusammen mit den entrechteten, vertriebenen Stammesleuten in die Türkei.
Formal ist „Elisso“ durch die Suche des Regisseurs nach neuen, rein kinematographischen Ausdrucksmöglichkeiten gekennzeichnet. Besonders interessant macht den Film der damals neuartige Montagerythmus. Der ehemalige futuristische Dichter Schengelaja montierte seinen Film nach dem Rhythmus einer Trompete, auf der er selber Tanzmusik spielte. Die Art der Montage des Films, seine kurzen, schnellen Kamerafahrten, auch die Leidenschaftlichkeit in der Behandlung eines Themas brach mit vielen Konventionen des georgischen Stummfilm, der sich zuvor überwiegend episch erzählend durch lange Einstellungen charakterisierte.
Schengelaja thematisiert deutlicher als Kazbegi die hemmungslosen Kolonisierungsbestrebungen des zaristischen Rußlands und porträtiert die Verzweiflung und Verbitterung eines Volkes, das zumindest seinen Stolz bewahren möchte.


Jim Shvante / Das Salz Swanetiens
Dienstag, den 11. Oktober, UT Connewitz
20 Uhr
UdSSR/Georgien 1930, 56 min., deutsche Texttafeln
Der herausragende ethnographische Film über die im Bergmassiv des Kaukasus isolierte Region Swanetien ist das Debüt des Kameramannes und Kuleschov-Schülers Mikhail Kalatosishvili als Regisseur. Sein schönes, herbes, in Teilen grausames Werk wird von der internationalen Filmkritik in einem Atemzug mit Bunuels „Las Hurdes“ genannt. Durch eine Bergkette vom Rest Georgiens abgeschnitten, führen die Swanen ihr einfaches, entbehrungsreiches Leben. Vor allem leiden sie unter hochgebirgstypischen Mangelerscheinungen wie dem Fehlen von Salz und damit einhergehenden Krankheiten. Die Geburt eines Kindes ist ein Fluch, ausgiebig gefeiert wird vor allem bei Beerdigungen. Der Film stellt Momenten von Modernisierung - wie den Bau einer Straße, die Swanetien mit anderen Orten verbinden soll - alte Bräuche gegenüber, die in Swanetien niemals aufgegeben wurden. Der Schluss des Filmes, der die Hilfe des Sowjetlandes für die unterentwickelte Region beschreibt, wirkt im Geist der Zeit aufklärerisch, plakativ und propagandistisch.
Durch seine expressive Bildsprache, die Wucht der Bildes, ihre assoziative Montage und die Verwendung einer nahezu surrealistischen Erzählweise bei der Darstellung des Lebens der Swanen und der Beschreibung der Jahrhunderte alten Bräuche, gehört Kalatosishvilis Films trotzdem zu den Klassikern des sowjetisch-georgischen Dokumentarfilms. In einigen Effekten erkennt man bereits den späteren Autor von „Wenn die Kraniche ziehen“.
Im Rahmen von MANöVER 2005 - Kartuli Suli nimmt sich DJ Juggler dem Film an und erfindet live neue Soundkonstellationen.
(Sonderpreis: 10 / ermäßigt 7 Euro, aber Bestandteil der preiswerteren Dauerkarte)


Vedreba / Das Gebet
Mittwoch, den 12. Oktober, UT Connewitz
20 Uhr
UdSSR/Georgien 1968, 75 min., OmU
Regie: Tengis Abuladze, Buch: A. Salukwadze, R. Kwesselawa, T. Abuladze, Kamera: Alexander Antipenko
Darsteller: Spartak Bagaschvili, Russudan Kiknadze, R. Tschchikwadze, T. Artschwadze, G. Palawandischvili, O. Megwinetuchuzessi, S. Kapianidze, N. Kawtaradze

Abuladze studierte von 1943 bis 1946 Theaterregie am Schota Rustaweli Theaterinstitut in Tbilisi. 1952 schloss er ein Regiestudium am Moskauer Filminstitut (WGIK) ab. Tengis Abuladze war einer der ersten Regisseure in der Sowjetunion, die ein kritisches Bild des realen Sozialismus zeichneten. Sein erster Spielfilm, „Magdanas Esel“, entstand im Jahr 1956. Er handelt von einer georgischen Familie, die versucht, mit einem blauen Esel wirtschaftlich über die Runden zu kommen. Der Film gewann eine „Goldene Palme“ in Cannes. „Magdanas Esel“ wurde zum Vorbild für viele weitere kritische Filme des politischen Tauwetters. 1968 drehte Abuladse „Das Gebet“, der Menschlichkeit gegen eine mittelalterliche Ordnung der Unbarmherzigkeit setzt. Etwa 10 Jahre später in „Baum der Wünsche“ erzählt er von der Zerstörung georgischer Traditionen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Abuladzes Film „Die Reue“ (1984) rechnete kompromisslos mit dem Stalinismus ab. Er handelt vom verstorbenen Diktator Warlam, der von einer Frau ausgegraben wird, die seine Verbrechen ans Licht bringen will. Warlam sieht in der Rückblende aus wie Stalins Sicherheitschef Beria, trägt einen Hitlerbart und ein faschistisches Schwarzhemd. Der Film war bis 1986 in der Sowjetunion verboten. Auf Betreiben des georgischen KP-Chefs Eduard Schewardnadse konnte er schließlich aufgeführt werden und wurde zu einem Schlüsselkunstwerk von Glasnost und Perestroika. In den meisten übrigen sozialistischen Ländern blieb er verboten. 1987 erhielt „Die Reue“ den „Großen Preis“ der Jury in Cannes und wurde in der Rubrik „Bester ausländischer Film“ für den Oscar nominiert.
„Vedreba / Das Gebet“ beschreibt in majestätisch strengen, monolithisch stillen Schwarz-Weiß-Bildern den tödlichen Mechanismus von Hass und Rachsucht. Ein Christ tötet einen Moslem und wird, weil er ihn nicht nach altem Brauch verstümmelt, ausgestoßen und schließlich von anderen Moslems bestraft.
Von der Filmkritik werden „Das Gebet“, „Der Baum der Wünsche“ und „Die Reue“ oft als eine Art „Trilogie des Vaterlandes“ bezeichnet.


Tsisperi mtebi anu daudjerebeli ambavi (Tienschan oder Blaue Berge* oder Das Blaue vom Himmel**)
Donnerstag, den 13. Oktober, UT Connewitz
20 Uhr
UdSSR/Georgien 1984, 97 min., deutsche Fassung
Regie: Eldar Schengelaja, Buch: Reso Tscheischvili
Darsteller: Ramas Giorgobiani, Wassil Kachniaschvili, Taimuras Tschirgadze u.a.
Als wäre es die normalste Sache der Welt trägt der Nachwuchsliterat Sosso sein erstes Roman-Manuskript zur Begutachtung in einen Verlag. Er kennt die Kollegen, alle sind sehr aufgeschlossen als er an die wichtigsten Mitarbeiter jeweils eine Kopie verteilt. Jeder versichert ihm, den Text so bald als möglich zu lesen. Aber dieses Lesen, die normale Lektoratsarbeit, ist das, was in dieser Einrichtung am wenigsten stattfindet. Gelesen wird eigentlich nur vom Haushandwerker. Alle anderen haben wichtigere Dinge zu erledigen: Anträge schreiben, damit ein mächtiges Ölgemälde entfernt werden darf, französisch lernen, Eier kochen, Kollegen besuchen, Schachpartien spielen, sogar Trauben im Hof des Institutes ernten und keltern. Ständig werden irgendwelche nicht zu gebrauchende Chemikalien angeliefert - und wieder abgeholt. Immer fehlt der Mitarbeiter, der gerade gesucht wird - oder es fehlt die Unterschrift von Kuparadze, der im Film niemals auftauchen wird. Irgendwann gibt es keine lesbaren Kopien des Manuskriptes mehr, so dass Sosso bereits kurz nach der Niederschrift Teile des Romanes rekonstruieren. Parallel dazu, dass der junge Autor sein Anliegen über vier Jahreszeiten erfolglos voran zu bringen versucht, werden Risse im Haus entdeckt, die immer größer werden. Ein seit Monaten geduldig auf Audienz beim Direktor wartender Bergbauingenieur nimmt sich der Sache an, und da die Erschütterungen, die die Risse bewirken doch nicht durch Vibrationen von „Motorball“ spielenden Motorradfahrern aus dem Hinterhof hervorgerufen werden, wird Sosso - weil er ja Zeit hat - auf eine Dienstreise unter Tage, zu den Sprengungen in der U-Bahn geschickt. Für die es natürlich keine Vordrucke gibt...
Grandiose, bitterböse Satire auf Schlamperei und Bürokratie – nicht nur im realen Sozialismus, dessen Ende hier visionär vorhergesehen wurde. Ein echter Klassiker der Lakonie und des (georgischen) schwarzen Humors.
* in der BRD, ** in der DDR
Wir zeigen die Fassung aus dem Synchronstudio Potsdam-Babelsberg, DDR, eine dem georgischen Original mindestens ebenbürtige Nachvertonung.


By Spiral Staircase - Auf der Wendeltreppe
Freitag, den 14. Oktober, UT Connewitz
20 Uhr
Georgien 2002, 90 min., Original mit englischen Untertiteln
Buch und Regie: Merab Tavadze, Kamera: Georgi Gersamija, Georgi Beridze
Darsteller: Niko Tavadze (Georgi), Iza Gigoshvili, Eka Andronikashvili, Zviad Tavadze, Ija Gigoshvili u.a.
Der Film des Theaterleiters und -regisseur Merab Tavadze besteht aus mehreren gleichermaßen interessanten Schichten. Scheinbar ist „Auf der Wendeltreppe“ ein Film über den Bürgerkrieg Anfang der 90er Jahre in Abchasien, vor allem aber wird eine Vater-Sohn-Beziehung erzählt und von der enormen Entwurzelung des Einzelnen in einer umbrechenden Gesellschaft. Was der vom Krieg traumatisierte Georgi bei seinem Versuch in eine Art normales Leben zurück zu finden erlebt, entwickelt sich zum ausweglosen Thriller - aus dem Dilemma heraus führt am Ende nur die Flucht in Traumwelten, in verlogen aussehende, wahrscheinlich trügerische religiöse Transzendenz.
Der Film lebt von seinen genauen und sehr präsenten Darstellern ebenso wie von vielen messerscharf fotografierten Bildern. Man merkt, dass sowohl Regisseur als auch Darsteller überdurchschnittlich gute Theaterhandwerker sind. Die Texte des Filmes sind verdichtet, viele kammerspielartige Szenen sind eingebettet in karge, beklemmende Szenenbilder, andere Einstellungen spielen mit der Schönheit des Landes und den Gesichtern seiner Menschen. „Auf der Wendeltreppe“ wurde bisher nur auf Festivals gezeigt und erhielt in der Ukraine zwei Preise für Hauptdarsteller und Regie.


Fuck the man who started first - Georgische Kurzfilmnacht
Freitag, den 14. Oktober, UT Connewitz
22 Uhr

Der junge mazedonische Dramatiker Dejan Dukowski schrieb einst ein Stück mit dem sehr einprägsamen Titel „Fuck the man who started first“. Damals war niemand weniger als der „Liebe Gott“ selbst gemeint, der solche Sachen wie einen jugoslawischen Bürgerkrieg geschehen ließ. Genau hier ist zwischen Balkan und Kaukasus eine Schnittmenge. Auch im Kaukasus gab und gibt es eine Vielvölkerstruktur, auch hier gab es Gewalt und Bürgerkrieg, auch hier ist die Stimmung bis heute angespannt und eine Lösung der Konflikte nur langfristig und im Rahmen vernünftiger Geopolitik denkbar.
Nun ist Gewalt nur ein Thema im Kosmos eines jungen georgischen Filmschaffens, das hier an diesem Abend vorgestellt werden soll. Aber es gibt einen bemerkenswerten Film von David Kemkhadze, gedreht über den Dächern von Batumi, der wichtigsten Stadt Adschariens, am Meer gleich nördlich der türkischen Grenze... wo es eine „zweite Revolution“ gegeben hatte, wenige Wochen nach der von Tbilisi - ein Aufbegehren gegen den langjährigen Beherrscher dieses Landesteiles, der sich fürstenähnlich einen Teil Georgiens, einschließlich Bevölkerung zum Privatbesitz gemacht hatte. Dieser Film also, der „Libertango“ heißt, zeigt den Moment, wo jemand versagt, wo jemand etwas anstößt, das dann vielleicht nicht mehr rückgängig zu machen ist, vielleicht sogar schlimme Folgen hat. So gesehen ist David Kemkhadze sehr nah am Puls seines Landes.
Inwiefern das auch andere Filme leisten können, oder ob sie nur (legitime) Fingerübungen sind, wird dieser Abend zeigen, der

(von Absolventen der Staatlichen Akademie für Theater und Film in eigener Auswahl und Dramaturgie hier präsentiert wird.
Außerdem sind wir bestrebt, auch einige Filme des Künstlernetzwerkes GOSLAB in den Abend einzubauen.)
(...)
Alle hier beschriebenen Veranstaltungen im UT Connewitz.





Außerdem gibt es in der „Cinemateque“ in der naTo folgende Möglichkeiten (zwei weitere Filme zum Thema und) Wiederholungen zu sehen:


Meine Großmutter
Mittwoch, den 12. Oktober, nato, 20 Uhr
Donnerstag, den 13. Oktober, nato, 22 Uhr

UdSSR/Georgien 1929, s/w, 67 min., vertonter Stummfilm mit deutschen Zwischentiteln
Regie: Konstantin Mikaberidze
Die Satire auf Bürokratie, Protektionismus, Karrierismus und Spießbürgertum - der erste in Georgien verbotene Film - lag 50 Jahre lang auf Eis. In dem gleichermaßen ernsten wie komischen Werk wird ein gewissenhafter Bürokrat entlassen. Seine Frau droht mit der Scheidung, wenn er nicht sofort eine andere Arbeit findet. Nach langem Klinkenputzen rät ihm ein Freund, eine so genannte „Großmutter“, eine Gönnerin, eine Protektion zu finden. Gesagt, getan. Aber die Sache hat einen Haken.


Wiederholung: Eliso / Elisso
Mittwoch, den 12. Oktober, nato, 22 Uhr
UdSSR/Georgien 1928, s/w, 77 min., vertont 1935, deutsche Texttafeln


Seit Otar fort ist – Since Otar left
Donnerstag, den 13. Oktober, nato, 20 Uhr
Freitag, den 14. Oktober, nato, 20 Uhr
Frankreich 2003, 98 min., OmU
Regie: Julie Bertucelli, mit Dinara Drouk, Esther Gorintin, Nino Khomassouridze u.a.
Während der Georgier und studierte Mediziner Otar in Paris als illegaler Einwanderer auf einer Baustelle schuftet, schlagen sich seine Mutter Eka, seine Schwester Marina und deren Tochter Ada mühsam im postsozialistischen Chaos der heimatlichen Hauptstadt Tiflis durch.
Als die beiden jüngeren Frauen erfahren, dass Otar gestorben ist, halten sie die traurige Nachricht vor der alten Eka geheim. Sie fälschen Otars Briefe und dichten ihm ein neues Leben an. Das geht so lange gut, bis Eka beschließt, nach Paris zu reisen, um ihren Lieblingssohn noch einmal zu sehen.


Wiederholung: Vedreba / Das Gebet
Samstag, den 15. Oktober, nato, 20 Uhr
UdSSR/Georgien 1968, 75 min., OmU


Änderungen durch schwierige Verleihsituation und Rechtebeschaffung jederzeit möglich.
Bitte aktuell prüfen über www.utconnwitz.de und www.nato-leipzig.de

Eintrittspreis bei der Filmwoche 5 / ermäßigt 4 Euro.
Eine Dauerkarte für alle 7 Filmabende im UT Connewitz (Kobakhidzes Musikosebi / Musiker, Eliso, Vedreba / Das Gebet, Tsisperi mtebi anu daudjerebeli ambavi / Das Blaue vom Himmel, Auf der Wendeltreppe, dazu Jim Shvante/Das Salz Swanetiens und die „Georgische Kurzfilmnacht“) kostet 25 / ermäßigt 18 Euro.