02 September 2005

PROGRAMM: KARTULI SUPRA

The Photo is from Beckilina

Supra - Die Georgische Tafel

Eine internationale Gesellschaft, darunter Georgier, Armenier, Türken, Russen, Juden und Aserbaidschaner, unternimmt eine Kreuzfahrt auf dem Schwarzen Meer. Sie haben zur Supra aufgetafelt, wobei naturgemäß ein Georgier die Rolle des Tamada übernimmt. Plötzlich beginnt das Schiff zu sinken.
Da taucht aus den Meeresfluten ein goldener Fisch auf und verkündet den Totgeweihten, dass jeder von ihnen einen letzten Wunsch frei hätte. Die Armenier, Türken, Russen, Juden und Aserbaidschaner wünschen sich, nach Hause zurückzukehren, was ihnen erfüllt wird.
Zuletzt ist der Georgier an der Reihe. Er ruft: „Bin ich Tamada, oder nicht?! Alle zurück an die Tafel!“
(belauscht und aufgeschrieben von Birgit Kuch)

Der gedeckte Tisch ist eine große Geste im Kaukasus. Vor Jahren wurde ich nachts vom Flughafen abgeholt. Es war meine erste Landung in Georgien. Raul brachte mich in seinem armeegrünen Lada in die Stadt. Es war spät in der Nacht. Das einzige Licht, die Armaturenbeleuchtung, verriet mir, dass die ganze vordere Verblendung aus einem BMW stammt. Auf der Fahrt durch die Düsternis erinnerte ich mich dann, dass jemand in der DDR mal ein Ferrari-Lenkrad in seinem Trabi hatte ...
In Tbilisi kurvten wir durch rumplige Straßen in die Stadt hinein. Die Straßen waren dunkel. Ab und an gab es einen Kiosk. Eine Glühbirne erleuchtete diesen Ort und die laue Nacht lud die wenigen Menschen ein, die noch unterwegs waren. Tief in der Nacht kamen wir bei Raul zu Hause an. In der Veranda wartete auf mich schon eine gedeckte Tafel. Ludmilla kam aus der Küche. Typische georgische Spezialitäten wurden aufgetischt. Früh um 4 Uhr wurden die ersten Trinksprüche ausgesprochen. Ich trank den halbtrockenen roten Wein. Das Licht spendeten Kerzen, da es in diesem Stadtteil gerade kein Strom gab.
Mit Wein fängt auch die Geschichte Georgiens an - sagen die Georgier. Eine Sage berichtet, wie die Menschen zu Gott gegangen sind, als er die Erde aufteilte. Die Vorfahren der Georgier wollten auch ihren Teil, doch nach einem rauschenden Fest hatten die Kaukasier es verschlafen, als Gott seine Welt an die Völker verteilte. Auf dem Weg zu Gott wurden sie dann noch angegriffen. Aufopferungsvoll und mutig kämpften sie bis sie siegten. Auch dieser Triumph wurde ausgiebig mit Wein und Tanz gefeiert. So kamen sie betrunken und verspätet zu Gott. Als sie hörten, dass sie leer ausgehen sollten, unterhielten sie den Allmächtigen mit Tanz, Musik und Gesang so lange und so ausdauernd, dass Gott weich wurde. Gott war begeistert und trat ihnen seinen göttlichen Garten ab: ein Land voller Reben.
Im Kaukasus lebt ein Volk, dass seiner Erde nahe ist. Das Leben der Georgier ist immer noch geprägt von der Jagd, vom Vieh und von Agrarkultur. Die Kaukasier leben vor allem von den Ressourcen, die ihnen die Erde gibt. So werden auch heute noch viele Speisen auf der Flamme zubereitet. Fleisch wird am offenen Feuer gegrillt; Brot und Maisbrot durch Glut gebacken. Die georgische Küche ist eine der ältesten der Welt. Das Essen wird niemals auf Vorrat, sondern immer nur frisch zubereitet. Mit den Resten werden die Tiere gefüttert. Einfache und gesunde Produkte liegen jedem Gericht zugrunde: Fleisch und Wein, Buttermilch und Käse, Früchte und frische Kräuter, Obst und Nüsse ...
Die sehr traditionelle Küche kann man als eine „Reise“ in den seelischen Ursprung aller Georgier ansehen. T. Amiredschibi sagte, dass die „Georgier Geduld am Tisch lernen. Ohne diese Gewohnheit gehen wir zugrunde! Deshalb haben wir uns die georgische Tafel ausgedacht und das ist sicherlich nicht schlecht.“ Es geht also nicht nur um das Essen, um die raffinierte Zubereitung der uralten Rezepte. Kultur in Georgien ist vor allem die Tafel. Eine traditionelle georgische Tafel ist ein großer langer Tisch - gedacht für alle Gäste. Wein und Trester sind uneingeschränkt verfügbar. Alles was auf dem Tisch steht, ist für alle da!
(erlebt und gelesen von Ralph Hälbig)

Das Essen in Georgien

Ein Essen ist in Georgien nicht einfach ein Essen, es ist ein Zeremoniell, sobald mehrere Leute anwesend sind. In Deutschland wäre es nicht ratsam, Gäste mehrmals zum gleichen Essen einzuladen, in Georgien gehört das zur Traditionsorientierung des Zeremoniells. Je wichtiger der Gast, umso traditioneller die Gerichte. Und es ist dabei nicht ungewöhnlich, dass dem wichtigen Gast mehrmals in der Woche die gleichen Gerichte serviert werden.
Die aufgetragene Überfülle macht dabei den sozialen Sinn aus. Das Angebot wird zum bedeutungsvollen Zeichen. Die Gastgeber/Innen wären todunglücklich, wenn am Ende des Abends tatsächlich alles aufgegessen wäre. Bei uns würde man sich darüber freuen - in Georgien präsentiert man den Überfluss. Wenn nur noch kleine Reste übrig sind, hat die/der Deutsche das Gefühl, dass es allen geschmeckt hat und es auch genug gab. Die Georgierin wäre unglücklich, weil es nicht großzügig genug aussähe.
Nach einem größeren Mahl ist es üblich, Freunden und Anverwandten noch Essen mit nach Hause zu geben. Man verabschiedet sich dadurch mit einem kleinen Geschenk. Generell spielt das Schenken in Georgien eine wichtigere Rolle als bei uns. Man verlängert auf diese Weise den Kontakt mit dem Gast. Außerdem wird dem Besucher in Georgien auch bei kurzen Spontanbesuchen immer etwas zum Essen angeboten. Größere Essen werden häufig von mehreren Frauen zusammen zubereitet.


Verhalten als Gast und gegenüber Gästen

Unerwünschte Gäste scheint es nicht zu geben. Der Gast ist immer ein Geschenk des Himmels, wie ein georgisches Sprichwort sagt. Jeder Gast wird immer zu Tisch gebeten. Jede Tafel ist im Prinzip um so viele Personen erweiterbar, wie noch in den Raum passen.
Man sagt selten schon beim ersten Angebot „ja“. Die gesamte Verweigerungsstrategie ist eine andere als bei uns. Wenn man nichts trinken will, lässt man sich das Glas voll gießen und rührt es dann nicht an. Es wird als unhöflicher empfunden, das Nachfüllen abzuwehren.
Zum Annehmen der Gastfreundschaft gehört es in Georgien auch, sich wirklich frei zu bedienen. In Georgien kann man sich viel eher als bei uns einfach etwas Essbares nehmen. Ganz ohne zu fragen.

Der Tamada

Zu einem georgischen Mahl mit Gästen gehören in Georgien unbedingt der georgische Wein, häufig auch georgischer Sekt und georgischer Cognac. Man trinkt nicht einfach so. Der Tafel steht ein Tisch- und Zeremonienmeister vor, der Tamada. Häufig ist dies der Hausherr, ein Freund des Hauses oder eine andere Person mit besonderem Status.
Das alltagspoetische Genre des Trinkspruches wird mündlich überliefert. Jede Generation wächst mit den Trinksprüchen auf. Der Tisch gilt als der Ort eines besonderen geistigen Wettkampfs für die Männer, der in Toasts ausgetragen wird.
Die vornehmste Aufgabe des Tamada besteht im Aussprechen elaborierter Trinksprüche. Oft wird der Trinkspruch gar in Gedichtform geäußert. Danach wird auf etwas, was im Trinkspruch thematisiert wurde, getrunken. Die Männer leeren dann das Glas bis auf den Boden. Zwischen den Toasts trinkt man nicht. Die Toasts sind thematisch weitgehend kanonisiert. Immer wird auf den Frieden getrunken, auf die Gäste und ihr Wohl, auf die Eltern, die Toten, die Kinder, die Freundschaft und die Liebe, auf die „den Tisch verschönernden“ Frauen, die Mütter, wichtige Ereignisse im Leben Anwesender. Bei der Ausgestaltung des Toasts kann der Tamada seiner Phantasie freien Lauf lassen; je origineller und witziger, umso besser. Für einen Georgier ist es ein großes Kompliment, als guter Tamada zu gelten.
(abgeschrieben auf der website (unter Bräuche) von Wolfram Jaudszims)

Eine Supra birgt immer ein Geheimnis. Unerwartetes kann daraus hervorgehen. Georgien gilt als ein Land der Romanzen und Legenden. Zur Supra eilt man mit einer feierlichen Einstellung. Das Aufregende dabei ist, dass jedem dabei ein enormer Respekt entgegengebracht wird. An der Supra ist nie ein Platz reserviert, außer am Kopf der Tafel, der ist dem Zeremonienmeister vorbehalten. Wenn die Tafel „gesegnet“ ist, dann werden die Gerichte zugewiesen, wird sich unterhalten, werden Anekdoten erzählt, unnachahmliche Witze gerissen, die Köche gelobt…

Die Supra zur Eröffnung ist im Wesentlichen unseren Gästen vorbehalten. Vergessen Sie den folgenden Termin also sofort wieder. Am Tag danach allerdings wartet die fast einmalige Chance, mitten in Deutschland, mitten in Leipzig an einer georgischen Tafel zu sitzen, einem Tamada auf das Glas zu blicken, also Georgien zu erleben, Georgien zu fühlen - und zu schmecken. Und wenn Sie zögern, lesen Sie die oben geschriebenen Texte einfach noch einmal.


Eröffnung - Mitternachtssupra

Restaurant TELEGRAPH, Dienstag, den 11. Oktober
24 Uhr



Supra


Restaurant TELEGRAPH, Mittwoch, den 12. Oktober
22 Uhr

Plätze für die Eröffnung sind naturgemäß (auch durch die georgischen Gäste) ausverkauft.
Die Supra am Mittwoch, dem 12. Oktober ist eine reguläre Veranstaltung.
Reservierung wird dringend empfohlen.
Einheitspreis: 13 Euro

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